Vom Trainer zum Lernbegleiter

„Nicht mehr die Vorbereitung auf eine spätere Ernstsituation bestimmt die Bildungskonzepte, sondern auch die Befähigung der Lernenden, sich selbst mit den Anforderungen, die auf sie zukommen, … auseinanderzusetzen …. Kluge Lehre stellt das ICH der Lernenden in den Mittelpunkt … und fördert dessen Haltung als aktives, selbstverantwortliches und selbststeuerungsfähiges Lernsubjekt“

Rolf Arnold 2012 S. 45ff

Der hier schon häufig angesprochene Paradigmenwechsel in der betrieblichen Bildung führt zwangsläufig dazu, dass die Verantwortung dafür, was, wann, wo und wie gelernt wird, nicht mehr primär bei der Personalentwicklung oder den Trainern, sondern in erster Linie bei den Mitarbeitern selbst liegt. Die Effektivität der Lernprozesse hängt deshalb ganz wesentlich von den Fähigkeiten der Lernenden ab, ihre Lernprozesse selbst zu steuern und zu organisieren.

Was bedeutet diese „Entgrenzung der Kompetenzen“, wie Rolf Arnold die Integration des informellen Lernens und der emotionalen Aspekte des Lernens nennt, für die zukünftige Rolle der heutigen Trainer, Dozenten oder Lehrer?

Die Abkehr von der Illusion der „Belehrung“ erfordert eine kompetente Begleitung der Lerner mit ihren spezifischen Voraussetzungen und Erwartungen sowie Fragestellungen und Herausforderungen. Damit entwickelt sich ein völlig neues Anforderungsprofil für die bisherigen Trainer und Dozenten, das sich parallel zu dem hier bereits diskutierten Stufenmodell nach Jane Hart entwickeln wird. Dies setzt eine konsequente Professionalisierung der Lernbegleitung voraus.

Der Lernbegleiter für

  • Seminarlernen wird durch speziell entwickelte „Aufgaben“ und „Anwendungssituationen“ den Lernern einen Zugang zu den Lernressourcen ermöglichen. Das Verständnis von „Lehre“ wandelt sich dabei grundsätzlich, weil Lernen als Selbstführung verstanden wird und eine wirksame, aktivierende Lehre durch Anregung, Begleitung und Förderung (Rolf Arnold) entsteht. Die Lerner werden auch im Seminar zu ihren eigenen Bedingungen lernen, weil sie ihre Ziele, Prozesse und Lernbedingungen selbst mit gestalten können. Dies wird über Reflexionen, konkrete Arbeitsaufträge, Praxisbeispiele oder konstruktive Formen der Kommunikation ermöglicht.
  • E-Learning Arrangements plant den Lernrahmen für das Lernen mit Web Based Trainings oder interaktiven Lernvideos, moderiert den Kickoff zur gemeinsamen Planung der Selbstlernphase (meist als Webinar), begleitet die selbstgesteuerten, individuellen Lernprozesse und greift die offenen Fragen im Abschluss-Webinar auf. Der Schwerpunkt seiner Lernbegleitung liegt hierbei in der didaktisch-methodischen Unterstützung der Lerner, von der Definition der individuellen Lernziele über die Planung der eigenen Lernprozesse bis zur methodischen Beratung. Dieser Lernbegleiter kann, muss aber nicht fachlicher Experte sein, da er bei Bedarf auf ein Netzwerk von Fachleuten im Hintergrund zugreifen kann. Für dieses Rollenprofil passt nach meiner Meinung der Begriff des E-Tutors nicht mehr, da diese Bezeichnung meist mit einer sehr engen Führung der Lerner verknüpft wird, die im Widerspruch zum selbstgesteuerten Lernen steht. Der Lernbegleiter in E-Learning Arrangements muss vielmehr eine Gratwanderung bewältigen, bei der er den Lernern einen möglichst großen Freiraum zur selbstgesteuerten Gestaltung seiner Lernprozesse gibt und nur im Bedarfsfall, dann aber auf Initiative des Lerners, mit einbezogen wird. Dies setzt klare Spielregeln für die eigenverantwortliche Bearbeitung offener Fragen durch die Lerner, in Lerntandems und im Kurs voraus.
  • Blended Learning Arrangements übernehmen eine vergleichbare Rolle, haben aber deutlich mehr Möglichkeiten zur Interaktion mit den Lernern im Präsenz-Kickoff und in den Workshops bzw. in dazwischen liegenden Webinaren. Während im Kickoff vor allem die Voraussetzungen für effiziente Selbstlernphasen geschaffen werden, ist der Lernbegleiter während der selbstgesteuerten Lernprozesse wiederum didaktisch-methodischer Unterstützer im Hintergrund und in den Workshops vor allem Moderator. Er initiiert Reflexionen über die Selbstlernphase, leitet bei Bedarf Konfliktlösungs-Prozesse ein, erzeugt eine hohe Verbindlichkeit der individuellen Lernprozesse, klärt offene Fragen aus dem Themenspeicher und leitet Diskussionen zu Präsentationen der Gruppen (evtl. unter Einbeziehung von Experten), bietet bei Bedarf zielgerichtete Trainingsmaßnahmen an und plant mit den Lernern die folgende Selbstlernphase. Die Rolle des „Wissensvermittlers“ entfällt fast vollständig.
  • Social Blended Learning Arrangements erfüllen die gleiche Funktion, wie Blended Learning Lernbegleiter. Da die Teilnehmer in diesen kompetenzorientierten Lernarrangements parallel herausfordernde Projekte aus ihrer Praxis bearbeiten, erweitert sich ihre Lernbegleitung auf die Ermöglichung der selbstorganisierten Kompetenzentwicklung in diesen Praxisprojekten. In der Planungsphase werden sie Partner und Berater der Führungskräfte der Teilnehmer bei der Auswahl geeigneter Praxisprojekte für die selbstorganisierte Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter und bei der Auswertung der Kompetenzmessungen. Sie bieten dem Lerner Kompetenzmessungen für Selbst- und Fremdeinschätzungen, deren Ergebnisse auf Basis eines gemeinsamen Analyse- und Bewertungsprozesses durch den Lerner für die Definition seiner Kompetenzziele genutzt werden. Weiterhin unterstützt der Lernbegleiter die Lerner bei der Planung ihrer individuellen Lernprozesse, indem er ihnen den erforderlichen Ermöglichungsrahmen mit Planungstools, formellen und informellen Lerninhalten ( Kompetenzorientiertes Wissensmanagement), Kommunikations- und Dokumentationsmöglichkeiten sowie Feedback-Instrumenten zur Verfügung stellt und sie methodisch berät. Sofern von den Teilnehmern gewünscht, analysiert er die regelmäßigen Projekt-Tagebücher und steht als methodischer Coach zur Verfügung. Bei Bedarf bezieht er wiederum Experten aus seinem Netzwerk mit ein. Im Abschluss-Workshop, meist mit oberen Führungskräften, moderiert er die Vorstellung und Diskussion der Projektergebnisse. Werden die Projektkonzeptionen anschließend in der Praxis umgesetzt, steht er weiterhin als methodischer Coach zur Verfügung.
  • Social Workplace Learning Arrangements werden ihren Schwerpunkt in der Konzipierung und laufenden Optimierung des Lernrahmens sowie in der methodischen Beratung der Mitarbeiter zur Gestaltung ihrer individuellen Lernprozesse am Arbeitsplatz haben. Sie werden regelmäßig Kickoffs für neue Mitarbeiter durchführen, bei Bedarf methodische Coaching-Gespräche mit einzelnen Mitarbeitern führen, in Teambesprechungen Feedback zum Lernsystem einholen oder Workshops zur Förderung der sozialen Kommunikation durchführen. Sie entwickeln sich dabei zunehmend auch zu Mentoren der Lerner, die sie in ihren persönlichen Entwicklungsprozessen beraten, ihr Netzwerk zur Verfügung stellen und als Kommunikationspartner für offene Fragen rund um die individuelle Kompetenzentwicklung zur Verfügung stehen.

Dieses Stufenmodell bietet nicht nur den Lernern, sondern auch den Lernbegleitern die Möglichkeit, ihre eigene Rolle und ihre Kompetenzen schrittweise in Hinblick auf die zukünftigen Anforderungen hin zu entwickeln. Da die Lernbegleiter in den kommenden Veränderungsprozessen eine Schlüsselrolle spielen, ist es notwendig, bei dieser Zielgruppe mit der Entwicklung in diese neue Rollen möglichst rasch zu beginnen. Dafür bietet sich das bereits hier vorgestellt „Doppeldecker-Konzept“ an.

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