Führungs- und Lernkultur – zwei getrennte Welten

Je häufiger wir Social Blended Learning Maßnahmen umsetzen, desto öfter werden wir mit dem Problem konfrontiert, dass die Führungs- und die Lernkultur in Unternehmen de facto zwei völlig getrennte Bereiche sind. Häufig treffen wir auf Führungskräfte, für die Lernen etwas Abgesondertes vom Arbeitsalltag ist, für das man entweder freigestellt wird, z.B. für einen Seminarbesuch, oder das in der Freizeit stattfindet. Deshalb hat in ihrer Vorstellung Lernen im Arbeitsalltag auch keinen Platz. Dagegen gehen wir in Social Blended Learning Maßnahmen von einem grundlegend anderen Verständnis von Lernen und damit auch einer veränderten Rolle der Führungskraft aus.

Social Blended Learning ist Blended Learning in Verbindung mit einem herausfordernden Praxisprojekt unter Einbindung von Social Software, welche informelles, selbstorganisiertes und vernetztes Lernen ermöglicht. Die Lerner organisieren den Kompetenzentwicklungs-Prozess im Rahmen eines mit der Führungskraft vorab vereinbarten Praxisprojektes selbst, von der Zieldefinition über die Lernplanung bis zur Erfolgskontrolle. Dabei werden sie von einem Lernbegleiter und der jeweiligen Führungskraft unterstützt. In Communities of Practice können die Teilnehmer selbstorganisiert ihre Erfahrungen aus den Projekten austauschen und gemeinsam weiter entwickeln. Lernen und Arbeiten wachsen dabei immer mehr zusammen.

Social Blended Learning erfordert eine veränderte Lernkultur, da die Mitarbeiter nunmehr im Rahmen ihres Praxisprojektes selbst für ihre Lernprozesse verantwortlich sind. Diese „neue Lernkultur“ ist ermöglichungsorientiert, selbstorganisationsfundiert und kompetenzorientiert. Sie unterscheidet sich fundamental von der tradierten Lernkultur, die wir alle aus unserer schulischen, studentischen oder häufig auch betrieblichen Lernkarriere her kennen. Wissens- und   Qualifikationsziele (Curricula) bilden nur noch eine notwendige Voraussetzung, individuelle Kompetenzziele bestimmen die Lernprozesse. „Gesichertes“, meist statisches, Fachwissen wird durch dynamisches Erfahrungswissen der Lerner erweitert. Die Lernorte Seminarraum und Learning Management Systeme werden durch das Lernen am Arbeitsplatz und in Sozialen Lernplattformen ersetzt. Kooperatives Lernen im Rahmen von Übungen wird durch kollaboratives Arbeiten und Lernen erweitert. Die Lehrer, Trainer und Ausbilder werden zum Coach und Mentor, sie begleiten die individuellen Lernprozesse. Testergebnisse werden durch Arbeitsergebnisse und Kompetenzmessungen abgelöst. Die Lerner sind für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich und organisieren ihre Lernprozesse selbst.

Die betriebliche Lernkultur wird in den meisten Unternehmen noch viele Jahre lang einen hybriden Charakter aufweisen, so dass die Mitarbeiter mit beiden Ausprägungsformen umgehen müssen. Neben der tradierten Lernkultur werden sich dabei immer mehr Elemente einer selbstorganisierten Lernkultur durchsetzen. Wer ein Social Blended Learning konzipieren und einführen will, das sich schrittweise zu einem Social Workplace Learning, bei dem Arbeiten und Lernen zusammen wachsen, wandelt, sollte nach unseren Erfahrungen schrittweise vorgehen:

Erstens einen wirklich kompetenzorientierten Bildungsauftrag aus der Strategie des Unternehmens, den Zielen der Hochschule oder der Schule ableiten.

Zweitens strategische Gesichtspunkte und solche der Kompetenzentwicklung immer gleichberechtigt behandeln. Denn jeder zukünftige Wettbewerb, ob auf dem Markt oder in Ranking – Listen, ist auch ein Kompetenzwettbewerb.

Drittens bedarfsgerechte Kompetenzmodelle, Kompetenzprofile und Kompetenzmesssysteme immer zusammen mit den Fach- und Führungskräften erarbeiten und dabei die eigenen Lernprozesse als Bestandteil des gemeinsamen Veränderungsprozesses sehen, den man ja maßgeblich mit gestalten will.

Viertens gemeinsam mit dem Kompetenzmanagement-Team Lernrahmen entwickeln, die ein selbstorganisiertes, kollaboratives Lernen aller Mitarbeiter im Prozess der Arbeit möglich machen. Dabei Lern- und Arbeitsprozesse konsequent miteinander verknüpfen.

Fünftens allen Einbezogenen ermöglichen, ihre Kompetenzziele auf Basis der Kompetenzprofile und -messungen in Abstimmung mit Führungskräften selbstorganisiert zu definieren und ihre Lernprozesse im Prozess der Arbeit selbst zu planen und umzusetzen.


Sechstens E-Learning und Blended Learning Lösungen, Podcasts oder Lernvideos zum Aufbau des formellen Wissens sowie Wissensmanagement-Tools zur Nutzung und Entwicklung von Erfahrungswissen anbieten.

Siebtens das kollaborative Arbeiten und Lernen, eine Netzwerkbildung aller Beteiligten, durch geeignete Systeme und Initiativen fördern; dabei wird es sich meist, aber keineswegs ausschließlich, um digitale Netzwerke handeln.

Man kann Kompetenzen nicht lehren. Aber – man kann viel für die Kompetenzentwicklung tun, sie ermöglichen, fördern, antreiben, verstetigen, wenn man sich vor Augen führt, was Wissensweitergabe und Kompetenzentwicklung fundamental unterscheiden. Dies setzt eine Unternehmenskultur voraus, in der Führungs- und Lernkultur eine Einheit bilden.

Social Blended Learning kann deshalb nur dann erfolgreich implementiert werden, wenn die Führungskräfte diesen Ansatz verstehen und ihre neue Rolle akzeptieren, aber auch die notwendigen individuellen Kompetenzen dafür aufbauen. Dies wird man sicher nicht mit „motivierenden“ Power-Point-Vorträgen erreichen. Es ist vielmehr ein Prozess erforderlich, der den Aufbau der erforderlichen Kompetenzen der Führungskräfte in der Unternehmenspraxis ermöglicht und damit bewirkt, dass sie im Rahmen ihrer Rolle als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter handeln.

Diese Veränderungsprozesse im Bereich der Führungskräfte werden nach unseren Erfahrungen nur dann gelingen, wenn sie Social Blended Learning zunächst als Lerner selbst erleben, eigene Erfahrungen mit dieser Lernkonzeption sammeln und diese mit ihren Kollegen reflektieren. Gleichzeitig sollten sie innerhalb des vorgegebenen Ermöglichungsrahmens die zukünftige Lernkonzeption in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich, insbesondere ihre persönliche Rolle sowie die Rollen der Lernbegleiter und der Lerner, in einem persönlichen Praxisprojekt entwickeln. Weiterhin entwickeln sie ihren individuellen Implementierungsprozess für diese neue Lernkonzeption. Über ein Projekttagebuch, das sie als Blog gestalten, tauschen sie ihre Überlegungen mit ihren Lernpartnern, d.h. anderen Führungskräften aus, und optimieren in einem sozialen Kommunikationsprozess ihre individuellen Lernkonzeptionen.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit diesem „Doppel-Decker-Prinzip“ innerhalb weniger Wochen Sicherheit und eine hohe Akzeptanz der Führungskräfte für die neue Lernkonzeption aufgebaut werden kann. Die Führungskräfte entwickeln dabei bedarfsorientierte Lernkonzeptionen für ihren Verantwortungsbereich, die sie anschließend in ihrer Praxis umsetzen. Dadurch werden mögliche Widerstände in dieser Zielgruppe weitgehend abgebaut. In der Kommunikation mit Lernpartnern und dem begleitenden Kompetenz-Coach wird Sicherheit aufgebaut. Gleichzeitig wird durch den intensiven Austausch und die Diskussion der Ausarbeitungen die Kreativität deutlich erhöht, es entsteht ein gemeinsames Verständnis der Führungskräfte für die gemeinsame Lernkonzeption. Die Teilnehmer nutzen dabei die Instrumente der Sozialen Lernplattform, um ihre eigenen Lernprozesse und die Konzeptionsentwicklung zu gestalten. Es entsteht eine Community of Practice der Führungskräfte zu ihrer Rolle als Entwicklungspartner, d.h. Coach und Mentor, ihrer Mitarbeiter.

[1] Koping System – Die Lerner sollen befähigt werden, ihre Praxis als Mitarbeiter oder Führungskraft zu bewältigen. In kleinen Gruppen sollen sie sich im gegenseitigen Austausch, also kommunikativ und in der Form „kleiner Netze“, in ihrer Entwicklung unterstützen.

Entwicklung der Führungskompetenz in der Enterprise 2.0, der Industrie 4.0, der Smart Factory….

„Ich halte es für ein Phantasiegebilde, dass Leadership im Vorlesungssaal vermittelt oder gelernt werden kann. Lernen kann ich Managementtechniken wie Ziele setzen, Delegieren, Controlling und Marketing – aber nicht Leadership. Da kommt es darauf an, Zukunftsbilder zu schaffen, schwierigste Geschäftsprobleme zu meistern und Menschen emotional und nachhaltig für neue Strategie und Veränderungsprozesse zu gewinnen. Das kann man nicht kopflastig antrainieren. Man lernt es nur, wenn man im rauen Wasser der Realität Verantwortung trägt. Nicht in Fallstudienarbeit“.

Thomas Sattelberger 2012

Betriebliches Lernen muss nach meiner Überzeugung die Realität in der Unternehmenspraxis abbilden, besser deren Entwicklung vorwegnehmen.  Unter der Bezeichnung Enterprise 2.0 entwickeln sich Unternehmen, die Soziale Software-Plattformen in der Kommunikation innerhalb der Organisation, aber auch mit Partnern und Kunden nutzen. Sie betreiben Social Business, indem sie Social Media und soziale Praktiken in ihre laufenden Aktivitäten integrieren.[1] Mit Industrie 4.0 wird eine Paradigmenwechsel in der Mensch-Technik-Interaktion ermöglicht: Die Maschinen passen sich den Menschen an – und nicht umgekehrt. Intelligente industrielle Assistenzsysteme mit multimodalen Benutzerschnittstellen bringen auch digitale Lerntechnologien direkt an den Arbeitsplatz.[2] Die Konzeption der Smart Factory nutzt Informations- und Kommunikationstechnologie zur Produktentwicklung, zum Engineering des Produktionssystems, zur Produktion, Logistik und Koordination der Schnittstellen zu den Kunden, um flexibler auf Anfragen reagieren zu können. In der Smart Factory kommunizieren Menschen, Maschinen und Ressourcen selbstverständlich miteinander wie in einem sozialen Netzwerk.[3]

Was bedeuten diese aktuelle Entwicklungen für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter und der Führungskräfte?

Die Frage, wie beispielsweise die Kompetenzen der Führungskräfte bedarfsgerecht aufgebaut werden können, beschäftigt alle Unternehmen. Die Masse der Anbieter von Maßnahmen zur Entwicklung der Führungskompetenzen – vom Einzeltrainer bis zu den großen „Instituten“ und Business Schools – bietet Lösungen an, die auf aufwendig gestalteten Seminarkonzepten mit Referaten, Übungen, Fallstudien, Planspielen oder Rollenspiele aufbauen.

Damit wird sicherlich die Qualifizierung der Führungskräfte ermöglicht, die mit schicken Zertifikaten belegt werden kann. In dieser Phase sind, auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird, jedoch noch keine Führungskompetenzen entstanden, das wirkliche Ziel ist also nicht erreicht worden. Dies kann am Beispiel der Wissensverarbeitung mit Fallstudien verdeutlicht werden. Fallstudien sollen die Möglichkeit bieten, relevante Probleme, mit denen die Führungskräfte in ihrer Praxis konfrontiert sind, im „Labor“ zu bearbeiten und Lösungen zu entwickeln. Das Ziel ist, dass die Lerner ihre Handlungskompetenz bei der Lösung von Aufgaben in ihrer heutigen oder zukünftigen Führungswelt sowie ihre Entscheidungsfähigkeit entwickeln.

Fallstudien sind naturgemäß immer vereinfachte Spiegelbilder der Praxis. Eine Fallstudie, die auch nur annäherungsweise die Komplexität der Realität widerspiegelte, würde alle Dimensionen sprengen. Während in der Realität sowohl die Problemstellungen als auch die relevanten Fakten offen und kaum überschaubar sind, werden in Fallstudien beide Bereiche in erheblich verkürzter Form vorgegeben, so dass die Variationsmöglichkeiten nur noch einen Bruchteil der Realität ausmachen.

Die Entwicklung einer Lösung für Fallstudien erfolgt, auch wenn sie in Gruppen getroffen wird, in einer Laborsituation mit einer künstlichen Versuchsanordnung. Sie ist deshalb nicht mit Entscheidungsprozessen in der Realität vergleichbar. Es sind z.B. keine „echten“ Interessenskonflikte auszutragen, es entstehen im Regelfall keine tiefgehenden Emotionen, die Folgen der Entscheidung sind im Regelfall für die eigene Entwicklung der Lerner nicht wirklich relevant und der Entscheidungsprozess erfordert nur einen Bruchteil der Zeit, die Abstimmungsprozesse in der Praxis benötigen.

Kompetenzlernen ist damit nicht möglich, die Lerner können höchstens für diese Problemlösung sensibilisiert werden und Methoden und Vorgehensweisen in „künstlichen“ Szenarien trainieren. Es werden aber nur in einem sehr begrenztem Rahmen Dissonanzen erzeugt, z.B. im Entscheidungsprozess innerhalb der Lerngruppe.

Die Verinnerlichung von Werten und damit Kompetenzlernen kann nur über eigene Führungserfahrungen erfolgen. Diese Kompetenzentwicklungsprozesse werden durch zwei wesentliche Merkmale geprägt:

  • Individualisierung: Anwendung auf Problemstellungen und Projekte der persönlichen Erfahrungswelt in der Führungspraxis. Lernen und Arbeiten wachsen zusammen – es entwickelt sich Workplace Learning. Die Führungskräfte bauen dabei selbstorganisiert ein Wissen im weiteren Sinne mit Werten, Emotionen und Motivationen einschließenden Sinne auf.
  • Professionalisierung: Kontinuierliche Entwicklung der eigenen Kompetenzen und des persönlichen Planungs- und Interaktionshandelns in zunehmend komplexer werdenden Labilisierungsprozessen – selbstorganisiert und im Netz.

Kompetenzentwicklung baut damit auf Erfahrungen in der Führungspraxis auf. Die Komplexität der Führungsherausforderungen macht es dabei notwendig, nicht nur eigene Erfahrungen, sondern auch die der Kollegen aktiv zu nutzen (Konnektivismus). Erfahrungen können aber nur in Form von Erfahrungswissen und Kenntnissen weitergegeben werden, nicht aber als Erfahrungen desjenigen, der sie gewann. Deshalb ist es viel wichtiger, anstatt viele perfekt gestylte Übungen absolvieren zu lassen, den Lernern die Möglichkeit zu bieten, ihr Erfahrungswissen systematisch auszutauschen, auf eigene Herausforderungen anzuwenden und in einem intensiven Kommunikationsprozess laufend gemeinsam weiter zu entwickeln.

Kompetenzentwicklung setzt deshalb eine Soziale Lernplattform voraus, die sowohl Kommunikation als auch kollaboratives Arbeiten und Lernen ermöglicht. Gleichzeitig muss diese Lernplattform sicher stellen, dass das erforderliche Fachwissen und die notwendige Qualifikation selbstgesteuert aufgebaut werden kann. Dies kann beispielsweise durch E-Learning initiiert werden, sofern die Web Based Trainings folgenden Kriterien genügen:

  • Einbindung in ein Blended Learning Arrangement, das die Bearbeitung offener Fragen mit Lernpartnern und Experten und die Verknüpfung mit Herausforderungen in der Praxis ermöglicht.
  • Verbindung formellen Wissens mit dem Erfahrungswissen aller Lerner.
  • Über den Übungsbereich wird der formelle Lernprozess der Lerner anhand exemplarischer, problemorientierter Aufgaben gesteuert.
  • Komplexes Wissen wird über die Anwendung in Transferaufgaben mit realen Problemstellungen oder Projektaufträgen aufgebaut.
  • Erfahrungswissen aus den Transferaufgaben wird in einem kompetenzorientierten Wissensmanagement gemeinsam bewertet und weiter entwickelt.

Voraussetzung dafür sind selbst organisierte Lernprozesse, die durch die Einbindung in ein entsprechendes Lernsystem mit einem Netzwerk aus Lernpartnern, Trainern, Tutoren und Coaches geprägt ist. Methoden der Kompetenzentwicklung weisen damit gemeinsame Merkmale auf : [4]

  • Die Wirklichkeit, d.h. das Lernen am Arbeitsplatz und in Projekten, ist zwingend notwendiges Instrument der Kompetenzentwicklung,
  • die Verinnerlichung (Interiorisation) von Werten bildet den Kern der Lernprozesse,
  • Handlungs- und Kommunikationsprozesse in realen Entscheidungssituationen sichern den Kompetenzerwerb,
  • die Kommunikation über diese Entscheidungsprozesse mit Lernpartnern (Co-Coaches), Trainern, Coaches und Mentoren flankiert diese Lernprozesses. Hierbei fördert Social Software den Austausch des Erfahrungswissens und die gemeinsame Weiterverarbeitung des Wissens aktiv.

Effektive Kompetenzentwicklung der Führungskräfte, aber nicht nur dieser Zielgruppe, wird damit durch folgende Charakteristika geprägt:

  • Entwicklungsprozess: Individuell und selbstorganisiert
  • Mobil: Zeitlich und räumlich flexibel
  • Bei Bedarf: Es wird gelernt, wenn eine Herausforderung in der Praxis zu lösen ist. Wissensaufbau und die Qualifizierung erfolgen „on-demand“.
  • Lernen im Netz: Communities of Practice
  • Kompetenzorientiertes Wissensmanagement – „bottom-up“
  • Kollaboratives Arbeiten und Lernen: Co-Coaching, kollegiale Beratung, Projektarbeit
  • Prozessbegleitung: Coaching und Mentoring
  • Erfolgscontrolling: Kompetenzmessung und Learning Analytics

Kompetenzentwicklung nutzt dabei einen „Ermöglichungsrahmen“ mit einer breite Palette an Methoden und Instrumenten der Planung, der Kommunikation, des Wissensaufbaus und der Qualifizierung sowie der Rückmeldung auf, die jeweils bedarfsgerecht zu einem Lernarrangement zusammengefasst werden. Intendierte, d.h. beabsichtigte Kompetenzentwicklung findet dabei stets in einer kommunikativen Situation statt.

Soziale Lernplattformen machen es möglich, solche Kompetenzentwicklungsprozesse bereits heute zu gestalten. Beispielhaft kann dies an beigefügter  Struktur aufgezeigt werden.

Damit rückt das Lernen in der Führungspraxis – am Workplace – in den Mittelpunkt. Präsenzveranstaltungen ( 3 Tage) dienen der Planung und der Reflexion der individuellen Kompetenzentwicklungsprozesse im Prozess der Führung am Workplace und im Netz. Kompetenzentwicklung wird möglich.

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[1] McAfee 2010
[2] Wahlster 2014
[3] Fraunhofer IAO 2014
[4] vgl. Erpenbeck, J.; Sauter, W. 2007

Wie bringt man Entscheider dazu, sich für innovative Lernsysteme zu entscheiden?

Die Entscheidungen für innovative Lernsysteme, z.B. E-Learning, Blended Learning oder Kompetenzentwicklung, ziehen sich in vielen Unternehmen quälend lange hin. Dabei stehen meist nicht finanzielle Gründe im Vordergrund. Mein Eindruck ist, dass Entscheider häufig die Sorge haben, dass dieses Vorhaben ein Misserfolg wird. Es fehlt an eigenen Erfahrungen. Wie wird die Trainermannschaft darauf reagieren? Werden die Lerner das Konzept tatsächlich annehmen? Bildungsanbieter befürchten drüber hinaus, dass sich weniger Lerner anmelden.

Teilweise behilft man sich in den Unternehmen mit Umfragen bei den potenziellen Zielgruppen. Sofern diese noch keine Erfahrungen mit E-Learning oder ähnlichen Systemen gemacht haben, ist das ablehnende Ergebnis von vorhersehbar. Was hätte wohl eine Befragung im Jahr 1980 erbracht, bei der man feststellen wollte, ob die Menschen einen Bedarf für einen Personalcomputer zuhause haben würden? Selbst die Experten konnten sich damals nicht vorstellen, dass dies Sinn machen könnte. Wie sollen die Mitarbeiter oder Kunden heute den Bedarf für ein Lernsystem einschätzen, das sie meist nur vom Hörensagen kennen?

Deshalb ist es in diesem Fall notwendig, im Unternehmen zunächst die Gelegenheit zu schaffen, Erfahrungen mit innovativen Lernsystem in einem positiven Umfeld zu sammeln. Es hat sich bewährt, mit einem Pilotprojekt zu beginnen, das mit relativ geringem finanziellem Aufwand umgesetzt werden kann. Deshalb bietet es sich an, sich zunächst auf ein Lernkonzept mit Standard-Inhalten und sogenannten ASP-Lösungen (Application Service Providing) für das Learning Management System zu stützen. In diesem Fall wird auf einem Rechner eines Anbieters von Lerninhalten ein eigener Kursraum für die Pilot-Lerngruppe, im Erscheinungsbild des jeweiligen Unternehmens und mit den ausgewählten WBT (Web Based Trainings), eingerichtet. Die Teilnehmer aus dem Unternehmen benötigen lediglich einen Internetanschluss. Langwierige Diskussionen mit dem IT-Bereich über Learning Management Systeme erübrigen sich.

Sucht man sich jetzt noch eine Pilotgruppe aus, bei der ein Mindestmaß an Risikobereitschaft und Freude am Neuen zu erwarten ist, und nutzt man die Erfahrung eines kompetenten Trainers und Tutor, sind die Chancen für einen Erfolg sehr hoch. Mit diesem ersten Projekt erhalten die Entscheider nunmehr authentisches Erfahrungswissen aus dem eigenen Hause. Damit bilden sie sich eine relativ sichere Entscheidungsbasis für weitere Projekte. Im Rahmen der internen Öffentlichkeitsarbeit kann man damit beginnen, schrittweise Akzeptanz für diese Lernkonzepte aufzubauen.

Die Kosten solcher Pilotprojekte sind nicht höher als bei klassischen Seminaren, da man grundsätzlich davon ausgehen kann, dass man mit etwa einem Drittel der Präsenztage auskommt. Die Nutzung der Lerninfrastruktur und der Lernprogramme kostet meist weniger als die eingesparten Seminartage. Trotzdem muss das Unternehmen keine Lernlösung von der Stange nutzen. Die Inhalte der Standard-Lernprogramme können in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden. In das Blended Learning Konzept können Experten aus dem eigenen Hause integriert werden. Diese beantworten in den Workshops Fragen der Teilnehmer, z.B. aus ihrer Projektarbeit heraus, die in einem „Themenspeicher“ gesammelt werden. Damit werden sehr praxisnahe und unternehmensspezifische Lernkonzeptionen ermöglicht.

Ich kann Sie nur ermuntern, diesen Weg zu gehen. Sammeln Sie auf diese Weise eigene Erfahrungen und schaffen Sie damit die Basis für unternehmensspezifische Lernlösungen. Wir würden uns freuen, wenn Sei mit uns darüber sprechen würden.

Ihr

Werner Sauter

Hochqualifizierte Inkompetente – oder warum es nicht genügt, „nur“ zu qualifizieren?

Wenn wir im Rahmen von Beratungen oder Kongressen versuchen, den Begriff der Kompetenzen von der Qualifizierung abzugrenzen, stellen wir meist die Behauptung auf, dass alle Zuhörer in ihrem Umfeld Personen kennen, die hochqualifiziert sind, die sie aber dennoch für absolut inkompetent halten. Denen sie trotz ihrer schönen Abschlüsse niemals ein schwieriges Projekt anvertrauen würden. Bisher hat dieser Feststellung noch niemals jemand widersprochen!

Warum gibt es so viele hochqualifizierte Inkompetente? Unsere Bildungssysteme zielen von der Grundschule an bis zur Hochschule, aber auch in den meisten betrieblichen Bildungsmaßnahmen, fast ausschließlich auf Wissensvermittlung und Qualifizierungen, und nicht mehr! Dies sind klar umrissene Komplexe von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die mittels Zertifizierungsprozeduren überprüft und nachgewiesen werden können. Der Transfer in die Praxis, die Entwicklung der Problemlösungsfähigkeit, wird häufig dem Zufall überlassen.

Im Rahmen der PISA-Messungen in den Schulen werden zwar vordergründig auch „Kompetenzen“ gemessen. Schaut man jedoch genau hin, wird deutlich, dass dabei unter „Kompetenzen“ ausdrücklich nur Wissen und Fertigkeiten, z.B. Rechenfertigkeiten, verstanden werden. Mit dem Kompetenzbegriff nach Erpenbeck oder von Rosenstiel, wie er sich in der betrieblichen Bildung weitgehend durchgesetzt hat, hat diese Eingrenzung nichts zu tun. Kompetenzen sind danach die Fähigkeit, sich in offenen und unüberschaubaren komplexen und dynamischen Situationen selbst organisiert zurecht zu finden. Sie drücken sich damit immer in den Handlungen der Lerner, insbesondere in schwierigen, herausfordernden Aufgaben aus.

Anders formuliert ist es das Ziel der betrieblichen Bildung, die aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Handlungsziele der Mitarbeiter und der Teams in der Praxis zu erreichen. So hat uns ein Vorstand einmal gefragt, „um wie viel Prozent steigt der Deckungsbeitrag meiner Kundenberater, wenn wir diese Bildungsmaßnahme umsetzen?“. Wissen und Qualifikation ist dafür die notwendige Voraussetzung, aber nicht das Ziel! Es geht vielmehr darum, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, ihre Kompetenzen selbst organisiert bei der Lösung realer Herausforderungen zu bewältigen.

Die Unternehmen fragen deshalb zunehmend Kompetenzentwicklungssysteme nach, die den Mitarbeitern und Führungskräften selbst organisiertes Lernern ermöglichen, indem die Möglichkeiten des E-Learning und der aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten sinnvoll genutzt werden. Die Entwicklung und Einführung solcher Systeme ist heute mit relativ geringen Kosten und Risiken möglich, weil zwischenzeitlich erprobte Konzeptionen vorliegen und die technische Infrastruktur, z.B. über ASP-Lösungen, ohne große Investitionen gesichert werden kann. Die Herausforderung besteht jedoch darin, den verantwortlichen Mitarbeitern im Bildungsbereich die Möglichkeit zu geben, sich die erforderliche Kompetenz für ihre zukünftige Rolle zu erarbeiten.

Die klassischen, qualifizierungsorientierten Lernsysteme ignorieren weitgehend die Eigenständigkeit und Vielfältigkeit der Lerner. Während die Lerner in seminargeprägten Qualifizierungsmaßnahmen oft passiv und fremdgesteuert sind, erfordern innovative Lernsysteme eine Kulturveränderung im Unternehmen. Die Lerner sind für ihre Lernprozesse zukünftig weitgehend selbst verantwortlich, die Rollen der Bildungsverantwortlichen wandeln sich fundamental. Die Entwicklung, Umsetzung und Einführung innovativer Lernsysteme sind deshalb als Veränderungsprozesse zu gestalten, die mit den Betroffenen gestaltet werden. Kompetenzmanagement wird zu einem zentralen Handlungsfeld des Human Resources Management. Die Konzeptionen, Methoden und Systeme sind entwickelt und erprobt. Die Veränderungsprozesse in der betrieblichen Bildung können, besser müssen, jetzt beginnen.