Neue Bildungswelt für mittelständische Unternehmen

Die Boston Consulting Group (2016) hat festgestellt, dass die mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte sowie die fehlende Offenheit für neue Technologien mit jeweils 77 % die größten Hindernisse beim digitalen Wandel bilden. Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat tiefgreifende Konsequenzen für die betriebliche Bildung, insbesondere auch in den mittelständischen Unternehmen. Die betriebliche Bildung kann dabei ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie ein Spiegelbild der – zunehmend digitalisierten – Lebens- und Arbeitswelt ist. Wenn die Mitarbeiter auf ihre zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden sollen, dann müssen Lernformen, Kommunikationsmöglichkeiten und Medien dem aktuellen Umfeld einer zunehmend selbstorganisierten Arbeitswelt entsprechen, im besten Fall sogar die Zukunft in diesem Bereich vorwegnehmen.

Aufgabe der Führung in mittelständischen Unternehmen ist es, die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter und deren Leistungserbringung durch Gestaltung der Entwicklungsprozesse zu gewährleisten.  Die Mitarbeiter benötigen dafür einen Lernrahmen, in dem sie ihre Entwicklungsprozesse auf Basis von Social Blended Learning direkt im Prozess der Arbeit (Workplace Learning), unabhängig von Ort und Zeit (Mobile Learning), gemeinsam mit ihren Lernpartnern (Social Learning) und nach dem individuellen Bedarf on demand (Micro Learning) gestalten und steuern können. Ergänzt werden die individuellen Lernaktivitäten durch einen kontinuierlichen Austausch im Rahmen von Communities of Practice, in der die Teilnehmer selbstorganisiert ihre Erfahrungen aus den Projekten und aus ihrer Praxis austauschen und gemeinsam weiterentwickeln.

Das Phänomen, an althergebrachten, häufig uneffektiven Methoden in der Bildung festzuhalten beobachten wir auch in mittelständischen Unternehmen. Wissensaufbau und Qualifizierung findet dort weiterhin überwiegend in Seminaren statt.

Mittelständische Unternehmen benötigen aus diesem Grunde heute grundlegend neue Geschäftsmodelle der betrieblichen Bildung, vom Social Blended Learning bis zum Workplace Learning, die dem fundamental veränderten Bedarf der Mitarbeiter im Zeitalter der Digitalisierung gerecht werden und die gezielte, selbstorganisierte Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter innerhalb eines bedarfsgerechten Entwicklungsrahmens möglich macht. Deshalb ist ein Paradigmenwechsel erforderlich.

Nach unseren Erfahrungen besteht kaum eine Chance, diesen Paradigmenwechsel in der bisherigen Bildungsstruktur der mittelständischen Unternehmen umzusetzen. Häufig gibt es große Widerstände der bisherigen Bildungsverantwortlichen oder Trainer, weil vordergründig „bewährte“ Lernkonzeptionen nicht gerne aufgegeben werden. Dass diese positiven Einschätzungen meist auf der Messung der guten Stimmung am Ende der Seminare mit „Happy-Sheets“, und nicht auf der Feststellung des Transfererfolges ein Jahr später basiert, wird meist verdrängt.

Die obere Führung übernimmt die Rolle des organisationalen Kompetenzmanagements.

Sie initiiert das organisationsweite Kompetenzmanagement und sichert den Rahmen für eine erfolgreiche Umsetzung. Gleichzeitig macht sie die hohe Bedeutung der Werte für den Erfolg der Organisation über ihre Handlungen und in der Kommunikation (symbolische Führung) deutlich Die Geschäftsleitung definiert über die Strategievorgaben die Ziele des Kompetenzmanagements, lässt aber die Handlungsweisen bewusst offen.

Wir schlagen die Bildung eines Kompetenzmanagement-Teams vor, das mit Führungskräften und Mitarbeitern besetzt wird, die aus allen Organisationsbereichen und Hierarchieebenen kommen, z. B.:

  • Je ein Vertreter der oberen Führung, des Personalbereiches und der Arbeitnehmervertretung
  • Mittlere Führungskräfte, die eine hohe Akzeptanz im Unternehmen besitzen („Kulturhelden“)
  • Fachkräfte mit hoher Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft (weitere „Kulturhelden“)

Das Team arbeitet, ähnlich wie ein Start-up, hierarchiefrei und wählt seinen Teamleiter selbst. Ein methodischer Prozessbegleiter unterstützt das Team in der methodischen Gestaltung des Kompetenzmanagement-Prozesses.

Das Kompetenzmanagement-Team hat im Einzelnen folgende Aufgaben zu erfüllen:

  • Steuerung des unternehmensweiten Prozesses zur Entwicklung der Mission der angestrebten Unternehmenswerte bzw. Unternehmenskultur
  • Analyse der aktuellen Kompetenzen (Ist-Werte) und Systeme des Kompetenzmanagements
  • Steuerung der Prozesse zur Definition der organisationalen Soll-Werte und Soll-Kompetenzprofile
  • Initiierung einer organisationsweiten Kommunikation über die entwickelten Lösungen
  • Konzeption, Umsetzung und laufende Pflege des Ermöglichungsrahmens für den selbstorganisierten Kompetenzaufbau
  • Initiierung der Kompetenzentwicklung der mittleren Führungskräfte als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter
  • Initiierung der Kompetenzentwicklung der Prozessbegleiter auf der Ebene der individuellen Kompetenzentwicklung (Learning Professionals)
  • Initiierung und Steuerung verschiedener Pilotprojekte für Kompetenzentwicklungsmaßnahmen, um die zuvor in der Konzeptionsphase entwickelten Veränderungs-, Kommunikations-, Lern- und Unterstützungsprozesse, aber auch die erforderlichen Systeme, umzusetzen und zu evaluieren
  • Aufbau einer professionellen Begleitung der selbstorganisierten und personalisierten Kompetenzentwicklungs-Prozesse

So bald für die neue Entwicklungskonzeption im Unternehmen Akzeptanz aufgebaut werden konnte, bietet es sich an, die bisherige Organisationseinheit Personalentwicklung durch ein Kompetenzmanagement zu ersetzen, das maßgeblich durch einzelne Mitglieder des bisherigen Wertemanagement-Teams gebildet wird.

Kompetenzentwicklung in mittelständischen Unternehmen ist notwendig und zu wirtschaftlichen Bedingungen möglich, aber nur im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“, die den Mitarbeitern und Führungskräften ein Lernsystem bietet, in dem sie ihre Kompetenzen selbstorganisiert im Rahmen realer Herausforderungen in der Praxis entwickeln können. Notwendige Voraussetzung für eine strategieorientierte Kompetenzentwicklung ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und Führungskräften als kompetenter Entwicklungspartner. Diese Vertrauensbasis kann allerdings nur in einem längerfristigen Veränderungsprozess schrittweise aufgebaut werden.

 

 

1 Abgerufen unter http://www.bcg.de/documents/file216038.pdf,  am 27. Oktober 2016

Systematische Komptenzentwicklung im Netz?

Karlheinz Pape hat in seinem Blog bereits sehr fundiert den Aspekt des Lernens in Netzwerken erörtert.  Dabei hat er u.a. auch sehr anschaulich darauf verwiesen, dass nicht das Lernen im Vordergrund steht, sondern das Erledigen-Können. Oder anders ausgedrückt: Die Kompetenz. Das Lernen wird dabei oft gar nicht bemerkt.

In unseren Praxisprojekten sind wir immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob man Kompetenzentwicklung im Netz auch systematisch ermöglichen kann. Will man dies beantworten, ist die Frage nach dem emotional – motivationalen Wertgrund, nach den realen Herausforderungen in Projekten und in der Praxis ( kognitiven Dissonanzen) und den Prozessen der Verinnerlichung von Erfahrungswissen (emotionale Labilisierung), die eine online-Lernkonzept auslöst, zu klären. Ist sie zu verneinen, hilft die bestgemeinte, mit großem Aufwand, z.B. für Grafikanimationen oder Gamification, ins Netz gebrachte Methode überhaupt nichts. Nicht jede emotionale Labilisierung ist schon Kompetenzentwicklung, aber es gibt keine intendierte Kompetenzentwicklung ohne emotionale Labilisierung. Hier liegt der springende Punkt, weshalb dem Lernen mit Social Software eine so hohe Kompetenz entwickelnde Potenz zugetraut werden kann: Dieser Vorgang, bei dem Werte – die Resultate von Wertungsprozessen – über Entscheidungssituationen in reale Herausforderungen und der Verinnerlichung von Erfahrungswissen zu eigenen Emotionen und Motivationen umgewandelt und angeeignet werden, wird als Interiorisierung von Werten bezeichnet. Dies erweist sich als Schlüsselprozess jeder Wertaneignung, jedes Erfahrungslernens, jeder Kompetenzlernens.

Die Schlussfolgerung für ein Kompetenzlernen im Netz ist ebenso einfach wie grundlegend. Nur ein Lernen im Netz, das diese Interiorisierung erzeugen kann, wird zu einem solchen Kompetenzlernen beitragen. Und das ist mit Social Software vorzüglich möglich.

Social Software ist also Kompetenzlernsoftware.

Mit Social Software entstehen informelle Autorennetzwerke ohne fest definierte gemeinsame Ziele oder Interessen. Die Mitarbeiter und Führungskräfte können sich selbst darstellen und mit anderen kommunizieren. Beiträge und Kommentare werden mit ihrem Profil verknüpft und erhalten dadurch eine persönliche Note. Durch Freundschaften, Kontakte oder Follower werden die Profile miteinander verknüpft, es entstehen soziale Netzwerke in- und außerhalb der Unternehmen. Das organisationale Wissen der Unternehmung kann durchsucht und gefiltert werden. Es entwickelt sich ein Web of Applications mit Anwendungen, die ohne nennenswerten Aufwand genutzt werden können. Damit ermöglicht Social Software das Finden, Herstellen und Vertiefen sozialer Kontakte und bringt die Menschen miteinander in Beziehung. Die Mitarbeiter werden aber auch mit den von ihnen erstellten Inhalten in Beziehung gebracht. Dies ermöglicht das Finden, Bewerten und die Nutzung von Inhalten.

Über eine Soziale Lernplattform, die neben den formellen Lernprozessen auch das kollaborative Arbeiten und Lernen im Netz ermöglicht, können Erfahrungen und Wissen in verschiedenen Formaten dokumentiert und ausgetauscht werden. Selbstlernende Systeme mit Volltextsuche, Ähnlichkeitsvektoren oder neuronalen Netzen unterstützen schnelle und zielsichere Lösungen. Eine Versionenverwaltung hilft, die Änderungen an den Dokumenten und somit der gemeinschaftlich erstellten Informationen zu erfassen. Soziale Lernplattformen bieten zudem jedem Mitarbeiter über sein E-Portfolio einen persönlichen Zugang zu Sozialen Netzwerken der Unternehmung.

Zu einzelnen Themenbereichen oder Kompetenzprofilen werden im Unternehmen zunehmend spezifische Soziale Netzwerke angeboten. So gibt es beispielsweise Netzwerke für Mitarbeiter im Rechnungswesen, Vertriebsmitarbeiter, Führungsnachwuchskräfte oder für obere Führungskräfte. Daneben können die Lerner auch Mitglieder in unternehmensübergreifenden Netzwerken, sein, beispielsweise mit Fachkollegen, mit Lieferanten, mit Behördenvertreter oder mit Kunden, um ihren Horizont zu erweitern

Aus unseren Projekterfahrungen ergibt sich, dass es für alle Grundkompetenzen – personale, aktivitätsbezogene, fachlich-methodische und sozial-kommunikative – Methoden und Instrumente im Web 2.0 gibt, die eine oder mehrere davon stark berühren. Wir sehen vor allem, dass es keine Methoden und Instrumente gibt, die zur Kompetenzentwicklung prinzipiell ungeeignet sind.

Kompetenzentwicklung wird zunehmend ins Netz verlagert, weil immer mehr Arbeits- und Kommunikationsprozesse im Netz stattfinden. Deshalb ist Lernen im Netz ein zwingendes Merkmal zukünftiger Lernarrangements. Der Austausch von Erfahrungswissen und Problemlösungen in Netzwerken bildet den Kern dieser Entwicklungsprozesse.

Deshalb muss sich die Unternehmenskultur so entwickeln, dass möglichst wenig hinderliche Strukturen und Hierarchien übrigbleiben und den Mitarbeitern viele Freiräume zum selbstorganisierten Arbeiten und Lernen, zur eigenen Kompetenzentwicklung, zur Verfügung gestellt werden. Dies setzt voraus, dass diese Systeme möglichst partizipativ und evolutionär eingeführt werden.

Alle Macht den Lernern

ww0416_01_Umschlag-12Das Titelthema der Zeitschrift wirtschaft + weiterbildung 04_2016 ist die Kompetenzkatastrophe, die John Erpenbeck und ich in unserem Buch „Stoppt die Kompetenzkatastrophe – Wege in eine neue Bildungswelt“ (2016 Springer Verlag Heidelberg Berlin) beleuchtet haben.

Deutschland ist auf dem Weg in die Bildungskatastrophe. Es vertrödelt seine Zukunft, weil es die Entwicklung zur Kompetenzgesellschaft verschläft“, das behaupten die Professoren John Erpenbeck und Werner Sauter in diesem sehr persönlichen Aufruf. Die Unternehmen werden aufgefordert, ihren Mitarbeitern das „selbstorganisierte“ Lernen zu ermöglichen.

Im nächsten Heft wird auf dieser Basis dargestellt, wie Kompetenzen definiert und gemessen werden können. Ausserdem wird eine kompetenzorientierte Führungskräfte-Entwicklung vorgestellt.

Download: wirtschaft + weiterbildung 04_2016 – Alle Macht den Lernern

Udemy – Geschäftsmodell für die überbetrieblichen Bildungsanbieter der Zukunft?

In seinem Blog vom 6. März 2016 hat Karlheinz Pape über Udemy berichtet, einem jungen Online-Anbieter mit weltweit bereits mehr als 10 Mio. Teilnehmern und attraktiven Bedingungen für Dozenten, der seine Kurspreise gerade unter das Volkshochschul-Niveau gesenkt hat. Mit 451 Kursen in deutscher Sprache bildet Udemy heute schon das gesamte Themenspektrum von Volkshochschulen in Deutschland ab. Entsteht hier plötzlich eine neue Konkurrenz für überbetriebliche Bildungsanbieter, von den Volkshochschulen über berufliche Bildungsanbieter bis zu den Fernschulen, ähnlich wie der Online-Vermittlungsdienst Uber im Taxi-Markt?

Das Phänomen, an althergebrachten Methoden in der Bildung festzuhalten, obwohl ihre Ineffektivität vielfach nachgewiesen wurde, beobachten wir auch im beruflichen und betrieblichen Kontext. Tradierte Denkweisen über das Lernen haben sich in den meisten Unternehmen, bei den meisten beruflichen Bildungsanbietern, bei allen Beteiligten, vom Lerner bis zum Personalentwickler, in hohem Maße verfestigt. Auch die betriebliche Bildung ist sehr stark formalistisch geprägt, Wissensweitergabe und Qualifikation im fachlich-methodischen Bereich stehen im Vordergrund.

So lange die überbetriebliche Bildungsanbieter auf diesen überwiegend tradierten „Lehr“angeboten beharren, droht Ihnen durch Anbieter wie Udemy mittelfristig eine große Gefahr. Udemy, das zwischenzeitlich bereits 451 deutschsprachige Kurse aufgebaut hat, kann alle Zielgruppen erreichen, die formelle, berufliche Bildung nachfragen, aber mit wesentlichen Vorteilen. Udemy-Angebote sind sehr kostengünstig, können losgelöst von Ort und Zeit genutzt werden und unterwerfen sich einem Qualitätsmanagement durch die Dozenten-Community.

Diesen Vorzügen stehen jedoch auch wesentliche Nachteile gegenüber, die regionalen Bildungsanbietern die Möglichkeit bieten, mit innovativen Geschäftsmodellen auch zukünftig erfolgreich zu sein. Udemy konzentriert sich auf die „Lehre“ von meist formellem Wissen, das zu mindestens 60 % über Lehr-Videos sowie zusätzlichen Erklär-Folien vermittelt wird, ist also vor allem Frontalunterricht im Netz.

Berufliche und betriebliche Bildungsanbieter werden sich dann am Markt behaupten können, wenn sie sich konsequent an den zukünftigen Bedarfen der Unternehmen in einer Welt der Enterprise 2.0, Industrie 4.0 oder Smart Factory orientieren werden. Zwar wird in den meisten Vorträgen über berufliches und betriebliches Lernen das 70:20:10-Modell zitiert, die Kompetenzentwicklung in der Praxis soll nach unseren Praxiserfahrungen dann aber trotzdem überwiegend in Qualifikationsmaßnahmen, insbesondere in Seminaren erfolgen.

„Handeln kann man nur handelnd erlernen!“[1] Was bedeutet diese Erkenntnis von Diethelm Wahl für den Aufbau von Kompetenzen? Wir müssen die Antwort auf die Frage, wo der wichtigste Lernort ist, vom Kopf auf die Füße stellen. Lernen findet dort statt, wo Herausforderungen zu lösen sind. Die schweizer Mediendidaktiker Christoph Maier und Sabine Seufert überschreiben diese Entwicklung am Beispiel der beruflichen Bildung mit

„Arbeiten ist Lernen und Lernen ist Arbeiten“.

Lernen und Handeln fließen zusammen, der Arbeits-, der Handlungsprozess selbst wird zum wichtigsten Lernort.[2] Warum bieten dann die Bildungsanbieter Ihre Leistungen weiterhin überwiegend in ihren Akademieräumen und in Seminarhotels an?

Wir wissen aus unseren Praxisprojekten, dass herkömmliche Bildungsmaßnahmen in Form von Unterricht, Vorlesung oder Seminaren in der Regel nur ein geringes oder gar kein Potenzial haben, um kontinuierliches Lernen und Kompetenzentwicklung zu fördern, da sie ein selbstmotiviertes und –organisiertes Lernen meist eher verhindern. Es ist eigentlich ganz einfach. Um Kompetenzentwicklung, egal auf welcher Altersstufe, anzuregen und zu fördern, benötigt man Lernumgebungen, die motiviertes, anwendungsnahes Lernen beim Bearbeiten von realen Herausforderungen unterstützen. Dies wird beispielsweise im Kindergarten wie selbstverständlich praktiziert. Die Kinder nehmen sich ein Spiel aus dem Regal und fangen einfach an. Dann lässt man sie am besten alleine spielen, d.h. lernen. Warum greifen die beruflichen Bildungsanbieter dann diesen Ansatz in Ihren Geschäftsmodellen kaum auf?

Die bisherige Trennung in eine berufliche Aus- und Weiterbildung, die eine theoretische, meist zertifizierte Basis für Tätigkeiten in der Praxis bilden soll, und dem Lernen im Betrieb sehen wir als überholt an. Der Aufbau von Fachwissen und die Qualifizierung kann in kompetenzorientierten Lernarrangements nicht mehr von der Kompetenzentwicklung in Projekten oder in der Praxis getrennt werden. Deshalb werden überbetriebliche Bildungsanbieter zunehmend Praxisprojekte oder Anwendungen im Prozess der Arbeit in ihre Lernarrangements integrieren müssen. Auf der anderen Seite werden die Unternehmen den Schwerpunkt immer mehr auf den bedarfsorientierten Aufbau von Fachwissen und die Qualifikation in ihren Kompetenzentwicklungs-Arrangements legen. Vorratslernen wird durch Lernen bei Bedarf, „on-demand“, ersetzt.

Grundlegende Überlegungen für eine Umgestaltung beruflicher und betrieblicher Lernsysteme und die Verhinderung der Kompetenzkatastrophe in diesem Bereich umfassen verschiedene Elemente der Kompetenzentwicklung. Die konzeptionelle Grundlage bildet die Ermöglichungsdidaktik. Das Ziel ist, selbstorganisierte Lernprozesse mit Lernpartnern, im Team und im Netz in Verbindung mit Coaching und Co-Coaching, dem kompetenzorientierten, kollaborativen Lernen mit Tandempartnern, zu initiieren. Dafür wird ein Arbeits- und Lernraum, also ein Ermöglichungsrahmen, für die Zusammenarbeit benötigt. In dieser Sozialen Kompetenzentwicklungs-Plattform entwickeln die Lerner Problemlösungen allein, im Team und im Netz mit Unterstützung eines Lernbegleiters und bauen damit ihre Kompetenzen auf. In Communities of Practice, wird das Erfahrungswissen ausgetauscht und gemeinsam weiter entwickelt. Eine wichtige Rolle spielen hierbei persönliche Lerntagebücher, meist als Blog gestaltet, in denen die Lerner ihren Lernprozess reflektieren und mit den Lernpartnern diskutieren. Mit Wikis oder Workpads können im Netz Problemlösungen kollaborativ, d.h. gemeinsam, entwickelt werden, auch wenn die Arbeits- bzw. Lerngruppe über die ganze Welt verstreut ist.

In diesem Kontext eröffnen sich für überbetriebliche Bildungsanbieter neue, attraktive Marktchancen , sofern sie ihre Lernarrangements radikal verändern. Nicht mehr Bulimie-Lernen auf Basis von Seminaren oder theorielastigen Studienbriefen, sondern Lernarrangements, die es den Teilnehmern ermöglichen, eigene Praxisprojekte in eine Lerngemeinschaft einzubringen, die in kollaborativen Lernprozessen innerhalb eines attraktiven Lernrahmens gemeinsam Lösungen entwickelt. Damit könnten überbetriebliche Bildungsanbieter zu effizienten Partnern in der betrieblichen Kompetenzentwicklung, insbesondere auch für klein- und mittelständische Unternehmen, werden.

Es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter, die sich in dieser Weise in dem Lernsystem bewegen, nach und nach den Ermöglichungsrahmen der Bildungsanbieter immer häufiger nutzen, um auch am Arbeitsplatz ihre offenen Fragen zu klären und Lösungen zu entwickeln. Es entwickelt sich ein Social Workplace Learning, das selbstorganisiert immer dann stattfindet, wenn herausfordernde Problemstellungen im Prozess der Arbeit zu bearbeiten sind. Damit wachsen Lernen und Arbeiten immer mehr zusammen.[3] Die Bildungsanbieter entwickeln sich zum strategischen Entwicklungspartner der Unternehmen.

Dieses Geschäftsmodell, den Kompetenzaufbau der Mitarbeiter von Unternehmen über einen bedarfsgerechten Ermöglichungsrahmen zu unterstützen, können nur Bildungsanbieter erfolgreich umsetzen, die den Bedarf Ihrer Zielgruppen kennen und vor Ort auch die erforderlichen Präsenz-Workshops mit Experten aus der jeweiligen Branche anbieten können. Internationale Online-Anbieter, wie beispielsweise Udemy, haben in diesem Geschäftsbereich kaum eine Chance.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Elemente eines zukunftsorientierten Geschäftsmodells für berufliche und betriebliche Bildungsanbieter:

  • Wissensaufbau über E-Learning Arrangements, evtl. ähnlich wie bei Udemy
  • Qualifikation in Blended Learning Arrangements mit Präsenz-Workshops vor Ort
  • Ermöglichung der selbstorganisierten Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und im Netz durch einen Ermöglichungsrahmen sowie Begleitung der Lernprozesse.

Die Umsetzung dieses Ansatzes einer grundlegenden Veränderung der Konzeptionen, der Lernkultur sowie der Rollen aller Beteiligten, erfordert Zeit. Deshalb ist es notwendig, jetzt damit zu beginnen, die Strategie der überbetrieblichen Bildungsanbieter grundlegend zu verändern und ein zukunftsorientiertes Geschäftsmodell umzusetzen.

[1] Vgl. Wahl, D. (3 Aufl. 2013)

[2] vgl. Meier, C.; Seufert, S. (2012), S. 20

[3] Erpenbeck, J.; Sauter, S.; Sauter, W. (2015)

Kollaboratives Arbeiten und Lernen – der Schlüsselfaktor bedarfsgerechter Lernsysteme

Social Business, das die Arbeitswelt zunehmend prägt,  erfordert kollaborative Unternehmen, in denen Arbeiten und Lernen wieder zusammen wachsen. In diesen Organisationen lösen die Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam im Arbeitsprozess und im Netz ihre Herausforderungen.[1] Kollaborative Arbeits- und Lernprozesse finden in der Projektarbeit, in der Produktentwicklung oder in gemeinsamen Beratungsprozessen bei Kunden statt. Sie laufen heute weitgehend netzbasiert ab. Es ist davon auszugehen, dass die zunehmende Komplexität und Dynamik der betrieblichen Herausforderungen dazu führen, dass kollaboratives Arbeiten und Lernen zu wichtigsten Handlungsformen in den Unternehmen werden.

Begrenztes Vorratswissen und begrenzte Kompetenzen werden deshalb zunehmend weniger gefragt. Gesucht sind vielmehr Kompetenzen,

  • sich schnell verändernden Rahmenbedingungen , insbesondere auch neuen Kollegen und Partnern, wechselnden Anforderungsprofilen und Problemen anzupassen,
  • die die Fähigkeit ausmachen, das, was man in einem Sachbereich weiß und kann , bei Bedarf mit anderen zusammen, auch auf fremde Sachbereiche zu übertragen,
  • die ganz allgemein bedeuten, Probleme im Netz(-werk) zu bearbeiten und zu lösen.

Damit wird kollaboratives Lernen, insbesondere auch im Netz, d.h. im Rahmen des Social Learnings, ein zentrales element zukünftiger Lernarrangements. Während sich der Begriff der Kollaboration im historischen Kontext auf die Zusammenarbeit mit einem Besatzungsregime im Kriege bezieht, beschreibt er heute im Rahmen der betrieblichen Kompetenzentwicklung eine Lernform, die sich an den Entwicklungen in der Arbeitswelt, z.B. zu Enterprise 2.0, Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0, orientiert. Mitarbeiter und Führungskräfte lernen immer mehr  von- und miteinander. Und das macht sie nachweislich erfolgreicher. Denn es hilft, persönliche Netzwerke auszubauen, auf die man in schwierigen Situationen zurückgreifen kann und durch diese Unterstützung erfährt. Kollaboratives Lernen erfolgt beim gemeinsamen Erarbeiten einer Lösung für eine Praxisaufgabe, der gemeinsamen Bearbeitung eines Projektes oder der gegenseitigen Reflexion und Bewertung.Das gemeinsame Lernen, z. B. in Form des Co-Coaching in  Lerntandems oder in Communities of Practice, unterstützt die Verbindlichkeit, fördert die kritische Reflexion und baut Beziehungen auf.

Auch in der Entwicklung des E-Learning, das wir seit zwei Jahrzehnten kennen, zeigt sich, zunächst fast unbemerkt, eine entsprechende Revolution. Von der „Wissensvermittlung“ zum kollaborativen Kompetenzaufbau – so ließe sie sich kurz zusammenfassen. Der früher dominierende Technikaspekt, das „E“, nimmt eine immer geringere, der Bildungsaspekt, das „Learning“, insbesondere des „Social Learning“, eine immer wichtigere Rolle ein. Diese grundlegende Revolution wird von einer nicht minder revolutionären methodischen Revolution flankiert. Vom E-Monolog zum E-Dialog und zur E-Kollaboration – so lässt sie sich kennzeichnen. Zunehmend organisieren die Lerner ihren Erfahrungsaustausch in Communities of Practice. Dabei wählen sie ihre Ziele, Inhalte, Strategien, Methoden und Kontrollmechanismen selbst in einem gemeinsamen Kommunikationsprozess aus. [2]

Kompetenzentwicklung im Netz ist möglich und wird immer wichtiger!

Auf der Ebene der Kernkompetenzen eines Unternehmens wird deshalb Sozialkompetenz zu einer Grundanforderung. Studien zeigen, dass Unternehmen und Organisationen, die den Einsatz von Social Media stark fördern, einen höheren Nutzen feststellen als Unternehmen, die diesbezüglich noch nicht so weit entwickelt sind.[3] Kollaborative Unternehmen sind eine Konkretisierung der Vision von einer Lernenden Organisation.[4] Diese Vision, die den Mitarbeitern einer Unternehmung die eigene Kompetenzentwicklung ermöglicht, führt auch dazu, dass sich die Kompetenzen der Organisation selbst kontinuierlich weiter entwickeln.

Kompetenzentwicklung wird damit zum integralen Bestandteil der Unternehmenskultur und liegt primär in der Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Die Führungskräfte unterstützen dieses natürliche Lernen als Coaches, als Entwicklungspartner, ihrer Mitarbeiter.

Kompetenzentwicklung wird zunehmend ins Netz verlagert, weil immer mehr Arbeits- und Kommunikationsprozesse im Netz stattfinden. Deshalb ist kollaboratives Lernen im Netz ein zwingendes Merkmal zukünftiger Lernarrangements. Der Austausch von Erfahrungswissen und Problemlösungen in Netzwerken bildet den Kern dieser Entwicklungsprozesse. Voraussetzung dafür ist eine Lern-Infrastruktur, die diese Lernprozesse in Form einer  Sozialen Lernplattform unterstützt.

 

[1] Cross, J. (2012), S. 3

[2] vgl. Kerres, M.; Rehm, M. (2015), S. 35 ff.

[3] vgl. SCIL Blog 22. August 2014, Stoller-Schai, D. (2003) S. 5 ff.

[4] ebenda, S. 3

Den Wandel zur Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und im Netz aktiv gestalten

Jane Hart, die britische Bloggerin, hat in ihrem letzten Blog zehn Wege aufgezeigt, wie mit Sozialen Netzwerken in Unternehmen Social Learning ermöglicht werden kann. Sie plädiert dafür, für Arbeiten und Lernen die gleichen Tools zu nutzen: „work is learning and learning ist he work“. Dafür sind u.a. kollaboratives Arbeiten und Lernen im Netz(-werk) unter Nutzung des Enterprise Social Networks, Communities of Practice oder Social Mentoring auf Initiative der Mitarbeiter erforderlich.

Auch Karlheinz Pape hat in seinem richtungsweisenden Blog „Lernen in Netzwerken“ die Frage untersucht, welche Elemente das Lernen in Netzwerken kennzeichnen und welche Konsequenzen sich für die Learning Professionals daraus ergeben. Dabei arbeitete er sehr schlüssig heraus, dass dieses Lernen vor allem durch Selbststeuerung, durch Kompetenzziele sowie durch Bedarfsorientierung geprägt ist. Wer Lernen im Netz zulassen will, muss loslassen können und eine Grundhaltung des „Zutrauens“ aufbauen. Die Learning Professionals übernehmen dabei u.a. die Rolle, Communities of Practice anzuregen, die Infrastruktur für das formelle und informelle Lernen bereit zu stellen, mobile und intelligente Bildungsdienste zu entwickeln, die den Mitarbeitern das an Informationen und Wissen geben, was sie für ihre Arbeits- und Lernprozesse benötigen (Kuratierung), die Führungskräfte in ihrer Rolle als Entwicklungspartner der Mitarbeiter zu coachen und die individuellen Lernprozesse zu begleiten.

Diese Ansätze sind schlüssig und werden in einer (langsam) zunehmenden Zahl an Unternehmen, meist Großunternehmen, schrittweise umgesetzt (vgl. u.a. Corporate Learning 2.0 MOOC). Social Learning verändert das betriebliche Lernen, weil damit persönliche Netzwerke des kollaborativen Arbeitens und Lernens im täglichen Arbeitsprozess geschaffen werden (J. Hart 2013). Die Mitarbeiter können laufend relevante Informationen aus ihrem beruflichen Umfeld erfahren und entwickeln ihren Wissensstand aktuell, sie arbeiten und lernen kollaborativ indem sie im Netz Lösungen für ihre beruflichen Herausforderungen erarbeiten, teilen ihr Erfahrungswissen und Erkenntnisse mit anderen und erweitern damit ihre Lernmöglichkeiten.

Andererseits sind die Mitarbeiter, aber auch die Bildungsplaner und Trainer in den Unternehmen, in ihrer gesamten Lern- und Lehrkarriere zum größten Teil fremdgesteuerte Lernsysteme gewohnt und haben entsprechende Routinen verinnerlicht.

Deshalb ist die entscheidende Frage, wie der Übergang zu kollaborativen Arbeits- und Lernsystemen im Netz aktiv gestaltet werden kann.

Obwohl dieses „neue“ Lernen primär im Arbeitsprozess, informell und weitgehend ungeplant, eher intuitiv erfolgt, halte ich eine didaktisch-methodische Konzeption für zwingend erforderlich. Auch dezentrale, individuelle Lernprozesse müssen geplant werden. Der Paradigmenwechsel besteht dabei darin, dass die Planung der Lernprozesse nicht mehr zentral, z.B. durch eine Bildungsakademie, erfolgt, sondern jeder Mitarbeiter seine individuellen Lernprozesse auf Basis der Vereinbarungen mit seiner Führungskraft eigenverantwortlich, von der Zieldefinition über die Planung bis zur Überprüfung des Lernprogrammes, plant und steuert. Aber auch dieses Lernen ist zielorientiert und wird vor allem durch die Unternehmensstrategie bestimmt.

Im deutschen Bildungssystem, auch in der betrieblichen Bildung, dominiert bisher eine „Belehrungsdidaktik“ mit behavioristischen und kognitivistischen Lehrkonzepten. Eine strenge Kausalität zwischen Lehren und Lernen kann jedoch nicht aufrechterhalten werden (Schüßler, I. 2007) Es ist deshalb eine „Ermöglichungsdidaktik“ erforderlich, die davon ausgeht, dass Lernen ein selbstorganisierter, konstruktivistischer Aneignungsprozess ist (Arnold, R. 2013).

Ermöglichungsdidaktik hat zum Ziel, den Lernenden alles an die Hand zu geben, damit sie ihre individuellen Lernprozesse problemorientiert und selbstorganisiert gestalten können.

Die Planung von Lernarrangements wird damit zu einer Inszenierung von Erfahrungsräumen, in denen den Lernenden Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden, die sie zu ihren Bedingungen eigenverantwortlich nutzen können. Es wird dabei nicht mehr der Anspruch erhoben, man könne Lernprozesse aus einer zentralen Position heraus direkt beeinflussen. Die Lernsituation wird deshalb nicht nach dem Inhalt sondern aus Sicht des Lernenden als Lernrahmen gestaltet.

Der Ermöglichungsrahmen ist ein planvoll entwickeltes Lernarrangement, das didaktische, methodische, materielle und mediale Aspekte so anordnet, dass die Wahrscheinlichkeit für den Lernerfolg möglichst hoch wird (Wahl, D. 2013).

Dieser Lernrahmen macht es möglich, dass die Lerner individuelle, formelle Lernprozesse mit dem Ziel des Wissensaufbaus und der Qualifizierung, aber auch des Praxistransfers, selbstgesteuert realisieren. Sie verknüpfen dabei individuelles und formelles, kooperatives Lernen. Erst durch diesen Ermöglichungsrahmen wird aber auch Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und kollaborativ im Netz wirksam ermöglicht und gefördert. Dabei verschwindet die Grenze zum Enterprise Social Network nach und nach.

Grundsätzlich kann damit Lernen im Netz in folgenden Ausprägungen in die Lernkonzepte integriert werden (vgl. Robes, J. 2012 S. 3 f.):

  • Wissensaufbau und Qualifizierung: Die Lerner gestalten ihre Lernprozesse im Rahmen vorgegebener Lernarrangements selbstorganisiert. Sie bringen sich mit ihrem Profil ein und stellen Lösungen, Literatur- oder Linklisten, Forumsdiskussionen, Wikis, Blogs oder Microblogs der aktuellen und der zukünftigem Lerner-Community zur Verfügung. Sie verfolgen im Netz Diskussionen und Konferenzen über entsprechende Hashtags, abonnieren für sie interessante Blogs und fassen diese in Newsreader zusammen, nutzen Bildungskanäle auf YouTube oder TED oder suchen gezielt Lernvideos. Die Lerner bringen sich aktiv in das soziale Netzwerk ein und tauschen dort ihre Lernerfahrungen aus. Auf dieser Basis entwickeln sie ihr persönliches Wissensmanagement.
  • Kompetenzentwicklung: Die Lerner erweitern ihre Lernprozesse um den Kompetenzaufbau , indem sie ihre Lernziele im Arbeitsprozess und ihre Lernorganisation eigenverantwortlich selbst gestalten, ihr Erfahrungswissen einbringen und mit Netzwerkpartnern analysieren, diskutieren und weiterentwickeln, in kollaborativer Form Aufgabenstellungen aus der Praxis selbstorganisiert bearbeiten, Aufgaben bearbeiten oder kreative Ideen entwickeln. Dazu benutzen sie Blogs, Wikis, Gruppenchats, Webinar-Systeme oder kollaborative Arbeitstools (z.B. Etherpad). Für den Wissensaufbau und die Qualifizierung, die für die Kompetenzentwicklung notwendig sind, nutzen sie bei Bedarf die entsprechenden Tools und Open Resources.

Die neuen Lernarrangements haben grundlegend veränderte Rollen und Handlungsweisen aller Beteiligten zur Folge:

  • Vom Ziel des Wissensaufbaus und der Qualifizierung (Curricula) zu individuellen Kompetenzzielen,
  • vom Lernort Seminar zur Verbindung von Arbeit und Lernen,
  • von der Lehre zum eigenverantwortlichen Lernen innerhalb 
eines Ermöglichungsrahmens,
  • vom fremdorganisierten zum selbstorganisierten Lernen,
  • von der Wissensabfrage zur Messung des Erfolgs in Projekten und in der Praxis,
  • vom Lehrenden zum Lernbegleiter als Coach und Mentor.

Die Handlungsroutinen der Menschen beim Lernen haben sich seit ihrer Kindheit entwickelt und verfestigt, so dass sie nur langfristig auch wieder abgebaut und durch neue Denk- und Handlungsweisen ersetzt werden können. Deshalb ist ein langfristiges Veränderungsmanagement erforderlich, das eine entsprechende Entwicklung der Lernkultur bewirkt.

Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, zunächst die Kompetenzentwicklung der heutigen Bildungsplaner und Trainer im Rahmen eines „Doppel-Decker“-Konzepts zu ermöglichen, indem diese eine projektorientierte Social Blended Learning Konzeption zunächst als Lerner selbst erleben, um dann ihr gewonnenes Erfahrungswissen auf ihre eigenen, zukünftigen Lernlösungen für ihre individuelle Zielgruppe anwenden. Damit kann eine hohe Akzeptanz für die innovativen Lernsysteme aufgebaut werden. Gleichzeitig werden bedarfsgerechte Lernlösungen durch diese Bildungsexperten entwickelt und anschließend umgesetzt.

Dabei wird selbstgesteuertes Lernen im Netz zunächst im Rahmen von Blended Learning Arrangements eingeführt. Die Mitarbeiter bewegen sich dabei nach wie vor in gewohnten Lernumgebungen mit Workshops und Moderator, übernehmen aber in der Selbstlernphase erste Verantwortung für den selbstgesteuerten Aufbau von Wissen und Qualifikation. Dabei werden sie in einem System aus Lernpartnerschaften, Lerngruppen und Lernbegleiter flankiert.

In einem weiteren Schritt werden reale Herausforderungen im Form von Praxis- und Projektaufgaben in diese Lernarrangements integriert, es entwickeln sich Social Blended Learning Arrangements. Im begrenzten Bereich dieser Problemlösungs-Prozesse definieren die Mitarbeiter nunmehr ihre Kompetenzziele in Abstimmung mit der Führungskraft selbst und gestalten ihre Lernprozesse selbstorganisiert. Dabei nutzen Sie die Angebote aus dem Ermöglichungsrahmen und können bei Bedarf das Coaching eines Lernbegleiters, aber insbesondere auch das Co-Coaching von Lernpartnern, in Anspruch nehmen. Wir gehen davon, dass die Mitarbeiter den Ermöglichungsrahmen nach und nach auch zur Lösung der tagtäglichen Praxisaufgaben nutzen werden.

Lernen und Arbeiten wachsen damit schrittweise zum Social Workplace Learning zusammen.

Das Ende der Learning Management Systeme?

Learning Management Systeme, d.h. virtuelle Lern- und Kommunikationsplattformen, die den Lernern Zugriff auf verschiedene Lernelemente, z.B.  WBT, Dokumente oder Beiträge der Lerner, sowie differenzierte Kommunikationsmöglichkeiten bieten, haben sich bei Bildungsanbietern und in Unternehmen weitgehend durchgesetzt. Sie dienen dabei vor allem der zentralen Planung und Verwaltung der gesamten Lernaktivitäten aller Mitarbeiter eines Unternehmens, sowohl online als auch offline, bzw. der Lerner von Bildungsanbietern. Es werden vor allem formelle Lernprozesse vorgegeben, Lerninhalte verteilt, Lerner administriert sowie Lernergebnisse dokumentiert.

Zwischenzeitlich nutzt nach einer Studie der Bitkom etwa knapp die Hälfte der Unternehmen, weitgehend unabhängig von der Größe, Social Media.[1] Deshalb können wir davon ausgehen, dass Soziale Medien auch im Lernbereich eine zunehmende Rolle spielen. Gleichzeitig garantiert aber Social Media noch kein Social Learning.

Nach unserem Verständnis ist Social Learning im betrieblichen Kontext durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

Social Learning (E-Learning 2.0) ist kompetenzorientiertes E-Learning mit Social Software (Social Media), das informelles, selbstorganisiertes und vernetztes Lernen umfasst.[1]

Es kann ein alltäglich, bewusst oder unbewusst ablaufender Prozess sein, oder integrierter Teil eines Lernarrangements. Social Learning hilft Menschen, nach eigenen Bedürfnissen und Interessen Social Media auszuwählen und zu nutzen, um online zusammenzuarbeiten und Informationen zu teilen.[3] Der Zugang zu diesen Medien erfolgt heute über eine Soziale Lernplattform, die sich zukünftig  immer mehr zu einer persönliche Lernumgebung, einem Personal Learning Environment – PLE – entwickelt.

Dieses soziale Lernen kann sowohl Inhalt des Lernens als auch Gestaltungselement sein:

  • Didaktik (Lernziele und –inhalte): Entwicklung der sozialen Kompetenz zum sozialen Handeln mit Empathie, Respekt und Verantwortung.
  • Methodik: Kooperative und kollaborative Lernformen, die das gemeinschaftliche Lernen in Gruppen fördern.
  • Lerntechnologie: Medien und Werkzeuge, die kooperative und kollaborative Lernprozesse ermöglichen.
  • Lernorganisation: Lernen im sozialen Kontext, z.B. Peer-to-peer Konzepte.

Die Soziale Lernplattform bietet jedem Mitarbeiter über sein E-Portfolio einen persönlichen Zugang zum Sozialen Netzwerk der Unternehmung. Das System schafft die Möglichkeit, auch im Netz kollaborativ herausfordernde Problemstellungen aus dem Prozess der Arbeit kollaborativ zu bearbeiten. Dabei nutzen die Mitarbeiter u.a. Foren, Chats, Blogs, Wikis, Reflexions-Tools oder Instant Messenger. In Virtual Classrooms oder Webinaren können sie sich mit Lernpartnern und Experten unabhängig von ihrem Aufenthaltsort austauschen. Zu einzelnen Themenbereichen oder Kompetenzprofilen werden im Unternehmen spezifische Soziale Netzwerke angeboten. So gibt es u.a. Netzwerke für Mitarbeiter im Rechnungswesen, Vertriebsmitarbeiter, Führungsnachwuchskräfte oder für obere Führungskräfte. Daneben können die Lerner auch Mitglieder in unternehmensübergreifenden Netzwerken, z.B. mit Fachkollegen, mit Lieferanten, mit Behördenvertreter oder mit Kunden sein, um ihren Horizont zu erweitern. Mit Hilfe von Etherpads können sie im Netz zur gleichen Zeit am selben Dokument arbeiten und gemeinsam lernen.

Die Lerner bauen mit ihrem E-Portfolio einen eigenen Lernbereich auf, den sie selbst in Hinblick auf die Tools, die Inhalte und die Zugangsmöglichkeiten für Lernpartner gestalten können. Dadurch entwickelt sich im Laufe der Zeit eine persönliche Lernlandschaft, ein PLE – Personal Learning Environment. Der Mitarbeiter plant auf dieser Grundlage seine Lernprozesse eigenverantwortlich, meist mit Unterstützung der Lernpartner oder seiner Führungskraft. Bei Bedarf kann er die Lernberatung von Bildungsexperten aus dem Kompetenzmanagement in Anspruch nehmen. Die Experten des Kompetenzmanagement initiieren und moderieren die notwendigen Veränderungsprozesse zur Einführung der Lernsysteme und beraten die Teilnehmer und deren Führungskräfte, aber auch Lerngruppen, in ihren selbstorganisierten Lernprozessen. Diese Experten weisen eine hohe didaktisch-methodische Kompetenz auf und besitzen umfangreiche Erfahrungen im Bereich selbstorganisierter und netzbasierter Lernsysteme.

PLE – Personal Learning Environment – sind individuelle und cloud-basierte, nach den persönlichen Interessen und Bedürfnissen des Lerners gestaltete Lernlandschaften mit semantischen Systemen, in die sie online Informationen, Erfahrungswissen, Ressourcen oder Kontakte integrieren und Ergebnisse ihrer formellen und informellen Lernprozesse auf der Basis von Standards zur Verfügung stellen können..[4] 

Das Ziel ist, eine technologische Infrastruktur zu schaffen, die die individuelle Kompetenzentwicklung ermöglicht, indem vorher getrennte Anwendungen lernerbezogen zusammen geführt werden. Ein solches PLE kann informelles Lernen kanalisieren. In zukunftsorientierten Kompetenzentwicklungs-Arrangements werden dabei folgende Funktionalitäten eines PLE benötigt:

  • Kompetenzentwicklung im Netz und im Prozess der Arbeit
  • Kompetenzorientiertes Wissensmanagement „bottom-up“ durch jeden Lerner
  • Persönlicher Lernpartner Computer: Lernorganisation und -begleitung mit semantischen Systemen

Das PLE bildet damit die notwendige Voraussetzung für selbstorganisiertes, lebenslanges und lebensweites Lernen. Deshalb sollte das System so gestaltet werden, dass der Lerner seinen persönlichen Lernraum, sein E-Portfolio, „mitnehmen“ kann, wenn er seine bisherige Unternehmung verlässt und zu einem anderen wechselt.

PLE werden zukünftig die heutigen LMS, auch in der Ausprägung als Soziale Lernplattformen, ablösen, weil sie konsequent auf die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse der Lerner zugeschnitten sind. Dabei werden aber alle Möglichkeiten und Elemente von LMS genutzt, die für den Lerner sinnvoll sind. Jedoch entscheidet er selbst, nicht ein Trainer, welche Funktionalitäten er nutzen will.

Damit die Mitarbeiter bereits heute ihre Kompetenz aufbauen, mit solchen Systemen effizient umzugehen, müssen die Unternehmen ihre heutigen Learning Management Systeme um E-Portfolios und die Bereiche des kollaborativen Arbeitens und Lernens im Netz im Netz erweitern, also Soziale Lernplattformen einführen. Hierfür haben wir mit learn@work eine bereits in der Praxis erprobte Lern-Infrastruktur entwickelt, die auf Open Source Lösungen basiert. Vorhandene LMS oder Kollaborations-Tools müssen dabei nicht ersetzt werden, sondern können unter einer personalisierten Benutzeroberfläche integriert werden. Damit wird ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess möglich.

[1] Bitkom (2012), S. 6

[2] vgl. Robes, J. (2012), S.3

[3] vgl. Back, A., Gronau, N., Tochtermann, K. (Hrg.) (3., vollständig überarbeitete Auflage 2012)

[4] vgl. Schaffert, S. , Kalz, M. (2009) , Gautam, A., (2012)

[5] vgl. Meier, C.; Seufert, S. (2012), Ebner, M., Neuhold, B. Schön, M. (2013)

Das Ende der Personalentwicklung

Das Motto der Zukunft Personal 2015 „Arbeiten 4.0“ bezeichnet eine Entwicklung, die dazu führen wird, dass die heutige, zentralistisch ausgerichtete Personalentwicklung in naher Zukunft überholt sein wird. Was jahrzehntelang selbstverständlich war, erfüllt die Anforderungen in einer Welt der „Enterprise 2.0“, der „Industrie 4.0“ oder der „Smart Factory“  sowie einer vernetzten Privat- und Arbeitswelt nicht mehr.

Social Media und soziale Praktiken werden immer stärker in die  laufenden Aktivitäten der Unternehmen integrieren. Dieses „Social Business“ erfordert kollaborative Unternehmen, in denen Arbeiten und Lernen wieder zusammen wachsen. In diesen Organisationen lösen die Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam im Arbeitsprozess und im Netz ihre Herausforderungen in der Praxis und tauschen kontinuierlich ihr Erfahrungswissen in Communities of Practice aus (Cross 2012, S. 3; BITKOM 2013, S. 6). Es wird nicht mehr dann auf Vorrat gelernt, wenn ein Seminar oder eine E-Learning Maßnahme angeboten wird, sondern wenn Herausforderungen im Prozess der Arbeit zu bewältigen sind.

 Die Personalentwicklung in Unternehmen hatte und hat noch vielfach mit Laufbahnkonzepten und Seminarplanung bis hin zum Hotelmanagement zu tun. Dafür gibt es bewährte professionelle Systeme, die meist auch eine hohe Akzeptanz genießen. Betriebliche Entwicklungssysteme für Mitarbeiter und Führungskräfte nehmen aber die Zukunft vorweg, wenn sie die Unternehmen für den kommenden Wettbewerb fit machen wollen. Wenn Online-Kommunikation, Recherche im Intranet oder Internet sowie die Erstellung von Dokumenten im Netz für immer mehr Menschen zur Normalität werden, sollten diese Instrumente auch integraler Bestandteil betrieblicher Lernsysteme werden. Die Mitarbeiter tragen an ihrem Arbeitsplatz immer mehr Eigenverantwortung und organisieren ihre Prozesse selbst. Es zeichnet sich deshalb ab, dass das betriebliche Lernen in der Zukunft Kompetenzentwicklung ist.

Halten es die Entscheider in einem Unternehmen für notwendig, die Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte zu ermöglichen, stellt sich die Frage, wie diese vielfältigen Prozesse gesteuert und begleitet werden können. Es wird ein Kompetenzmanagementsystem benötigt, eine Managementdisziplin, mit der die Kompetenzentwicklung im Unternehmen im Sinne der Unternehmensstrategie ermöglicht wird. Ziel ist es, die Potenziale der Unternehmen im Bereich der Mitarbeiterentwicklung effektiv zu nutzen und zielorientiert zu entwickeln.

Kompetenzen entstehen in einem permanenten, selbstorganisierten Entwicklungsprozess aller Mitarbeiter und Führungskräfte, der beim Daten-, Informations- und Wissensmanagement beginnt und in die Kompetenzentwicklung mündet. Kompetenzmanagement kann darauf aufbauen, wenn es sich an Unternehmenszielen ausrichtet und eine Veränderung der Denk- und Handlungsweisen aller Beteiligten, vom Lerner über die Trainer, Coaches bzw. Tutoren bis zu den Führungskräften, ermöglicht.

Deshalb ist Kompetenzmanagement immer auch strategisch orientiertes Veränderungsmanagement. Es verknüpft die Kompetenzprofile der Mitarbeiter mit den Kernkompetenzen der Unternehmen. Es schließt alle Bereiche der Kompetenzerfassung und Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter mit dem Ziel ein, die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens zu optimieren.

Kompetenzmanagement erfordert eine Neupositionierung des betrieblichen Bildungsmanagements, das zukünftig die Rolle eines aktiven, strategieorientierten Gestalters und Begleiters der Lernprozesse im Unternehmen spielt. Dies ist dabei nur im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“ möglich, die den Mitarbeitern und Führungskräften ein Lernsystem bietet, in dem sie ihre Kompetenzen selbstorganisiert im Rahmen realer Herausforderungen in der Praxis entwickeln können. Für diese Neupositionierung des Bildungsbereichs müssen viele liebgewonnen Rollenelemente über Bord geworfen werden. Es lohnt sich aber, diesen Weg zu gehen, weil damit der Bildungsbereich in Zukunft eine strategische Schlüsselposition übernimmt.

Insbesondere der Megatrend Digitalisierung verändert die Arbeitswelten, die Unternehmens- und Wissenskulturen und die dazugehörigen Führungsverständnisse. Kompetenzmanagement 2.0 verknüpft Instrumente des zentralen Kompetenzmanagements (Kompetenz-Map, Kompetenzmodelle und die aggregierten Soll- und Ist-Kompetenzprofile) mit einem Ermöglichungsrahmen für selbstorganisierte Kompetenzentwicklung. Die Lern- und Webtechnologie des Web 2.0 ist bereits heute geeignet, Kompetenzentwicklung im Netz zu unterstützen. Grundlage dafür sind Soziale Lernplattformen, die sich grundlegend von den bisherigen Learning Management Systemen für formelle Lernprozesse unterscheiden (vgl. Erpenbeck, Sauter, Sauter 2015).

Der Bildungsbereich verändert sich entsprechend. Die Schweizer Pädagogen Christoph Meier und Sabine Seufert benutzen hierfür das anschauliche Bild des Lernlandschaftsarchitekten ( vgl. Meier, Seufert 2012). Zu seinen Aufgaben gehört insbesondere die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen für die selbstorganisierte, persönliche Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter und Führungskräfte. Dazu ist ein strukturiertes Vorgehen zur Beschreibung, Bewertung und zum Nachweis individueller Kompetenzen notwendig. Das Ziel ist, das vorhandene Entwicklungspotenzial zu erkennen und bestmöglich zu nutzen und die eigenen Kompetenzen, orientiert an individuellen Kompetenzzielen, zu erweitern.

Lernkonzeptionen mit zunehmender Selbstorganisation und -verantwortung der Lerner haben zur Folge, dass die heutigen Personalentwickler entweder ihre Rolle verlieren oder sich zu Kompetenzmanagern wandeln. Auch Bildungsplaner werden zunehmend an Zielen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gemessen werden. Neue Strukturen, Rollen und Kompetenzen der Planer, Entwickler, Trainer, Tutoren und Coachs in betrieblichen Lernsystemen sind erforderlich. Kompetenzmanager werden bereits bei der strategischen Planung als Partner einbezogen, damit sie die notwendigen Lernprozesse zur Umsetzung strategischer Maßnahmen rechtzeitig initiieren können. Das setzt ein hohes Ansehen der Kompetenzmanager im Unternehmen voraus.

Kompetenzmanagement erfordert eine neue Rolle des heutigen betrieblichen Bildungsmanagements als aktiver und strategieorientierter Gestalter und Begleiter der Kompetenzentwicklungsprozesse im Unternehmen. Personalentwickler übernehmen die Aufgabe, Kompetenzen zu beschreiben, sie transparent zu machen und allen Mitarbeitern und Führungskräften zu ermöglichen, Kompetenzen selbstorganisiert zu erwerben und zielorientiert weiterzuentwickeln. Kompetenzmanagement ist in diesem Verständnis nicht mehr und nicht weniger als eine immer wichtiger werdende Managementdisziplin, mit der die Kompetenzen im Unternehmen aktiv erfasst und gefördert werden.

 

Entwicklung der Führungskompetenz in der Enterprise 2.0, der Industrie 4.0, der Smart Factory….

„Ich halte es für ein Phantasiegebilde, dass Leadership im Vorlesungssaal vermittelt oder gelernt werden kann. Lernen kann ich Managementtechniken wie Ziele setzen, Delegieren, Controlling und Marketing – aber nicht Leadership. Da kommt es darauf an, Zukunftsbilder zu schaffen, schwierigste Geschäftsprobleme zu meistern und Menschen emotional und nachhaltig für neue Strategie und Veränderungsprozesse zu gewinnen. Das kann man nicht kopflastig antrainieren. Man lernt es nur, wenn man im rauen Wasser der Realität Verantwortung trägt. Nicht in Fallstudienarbeit“.

Thomas Sattelberger 2012

Betriebliches Lernen muss nach meiner Überzeugung die Realität in der Unternehmenspraxis abbilden, besser deren Entwicklung vorwegnehmen.  Unter der Bezeichnung Enterprise 2.0 entwickeln sich Unternehmen, die Soziale Software-Plattformen in der Kommunikation innerhalb der Organisation, aber auch mit Partnern und Kunden nutzen. Sie betreiben Social Business, indem sie Social Media und soziale Praktiken in ihre laufenden Aktivitäten integrieren.[1] Mit Industrie 4.0 wird eine Paradigmenwechsel in der Mensch-Technik-Interaktion ermöglicht: Die Maschinen passen sich den Menschen an – und nicht umgekehrt. Intelligente industrielle Assistenzsysteme mit multimodalen Benutzerschnittstellen bringen auch digitale Lerntechnologien direkt an den Arbeitsplatz.[2] Die Konzeption der Smart Factory nutzt Informations- und Kommunikationstechnologie zur Produktentwicklung, zum Engineering des Produktionssystems, zur Produktion, Logistik und Koordination der Schnittstellen zu den Kunden, um flexibler auf Anfragen reagieren zu können. In der Smart Factory kommunizieren Menschen, Maschinen und Ressourcen selbstverständlich miteinander wie in einem sozialen Netzwerk.[3]

Was bedeuten diese aktuelle Entwicklungen für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter und der Führungskräfte?

Die Frage, wie beispielsweise die Kompetenzen der Führungskräfte bedarfsgerecht aufgebaut werden können, beschäftigt alle Unternehmen. Die Masse der Anbieter von Maßnahmen zur Entwicklung der Führungskompetenzen – vom Einzeltrainer bis zu den großen „Instituten“ und Business Schools – bietet Lösungen an, die auf aufwendig gestalteten Seminarkonzepten mit Referaten, Übungen, Fallstudien, Planspielen oder Rollenspiele aufbauen.

Damit wird sicherlich die Qualifizierung der Führungskräfte ermöglicht, die mit schicken Zertifikaten belegt werden kann. In dieser Phase sind, auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird, jedoch noch keine Führungskompetenzen entstanden, das wirkliche Ziel ist also nicht erreicht worden. Dies kann am Beispiel der Wissensverarbeitung mit Fallstudien verdeutlicht werden. Fallstudien sollen die Möglichkeit bieten, relevante Probleme, mit denen die Führungskräfte in ihrer Praxis konfrontiert sind, im „Labor“ zu bearbeiten und Lösungen zu entwickeln. Das Ziel ist, dass die Lerner ihre Handlungskompetenz bei der Lösung von Aufgaben in ihrer heutigen oder zukünftigen Führungswelt sowie ihre Entscheidungsfähigkeit entwickeln.

Fallstudien sind naturgemäß immer vereinfachte Spiegelbilder der Praxis. Eine Fallstudie, die auch nur annäherungsweise die Komplexität der Realität widerspiegelte, würde alle Dimensionen sprengen. Während in der Realität sowohl die Problemstellungen als auch die relevanten Fakten offen und kaum überschaubar sind, werden in Fallstudien beide Bereiche in erheblich verkürzter Form vorgegeben, so dass die Variationsmöglichkeiten nur noch einen Bruchteil der Realität ausmachen.

Die Entwicklung einer Lösung für Fallstudien erfolgt, auch wenn sie in Gruppen getroffen wird, in einer Laborsituation mit einer künstlichen Versuchsanordnung. Sie ist deshalb nicht mit Entscheidungsprozessen in der Realität vergleichbar. Es sind z.B. keine „echten“ Interessenskonflikte auszutragen, es entstehen im Regelfall keine tiefgehenden Emotionen, die Folgen der Entscheidung sind im Regelfall für die eigene Entwicklung der Lerner nicht wirklich relevant und der Entscheidungsprozess erfordert nur einen Bruchteil der Zeit, die Abstimmungsprozesse in der Praxis benötigen.

Kompetenzlernen ist damit nicht möglich, die Lerner können höchstens für diese Problemlösung sensibilisiert werden und Methoden und Vorgehensweisen in „künstlichen“ Szenarien trainieren. Es werden aber nur in einem sehr begrenztem Rahmen Dissonanzen erzeugt, z.B. im Entscheidungsprozess innerhalb der Lerngruppe.

Die Verinnerlichung von Werten und damit Kompetenzlernen kann nur über eigene Führungserfahrungen erfolgen. Diese Kompetenzentwicklungsprozesse werden durch zwei wesentliche Merkmale geprägt:

  • Individualisierung: Anwendung auf Problemstellungen und Projekte der persönlichen Erfahrungswelt in der Führungspraxis. Lernen und Arbeiten wachsen zusammen – es entwickelt sich Workplace Learning. Die Führungskräfte bauen dabei selbstorganisiert ein Wissen im weiteren Sinne mit Werten, Emotionen und Motivationen einschließenden Sinne auf.
  • Professionalisierung: Kontinuierliche Entwicklung der eigenen Kompetenzen und des persönlichen Planungs- und Interaktionshandelns in zunehmend komplexer werdenden Labilisierungsprozessen – selbstorganisiert und im Netz.

Kompetenzentwicklung baut damit auf Erfahrungen in der Führungspraxis auf. Die Komplexität der Führungsherausforderungen macht es dabei notwendig, nicht nur eigene Erfahrungen, sondern auch die der Kollegen aktiv zu nutzen (Konnektivismus). Erfahrungen können aber nur in Form von Erfahrungswissen und Kenntnissen weitergegeben werden, nicht aber als Erfahrungen desjenigen, der sie gewann. Deshalb ist es viel wichtiger, anstatt viele perfekt gestylte Übungen absolvieren zu lassen, den Lernern die Möglichkeit zu bieten, ihr Erfahrungswissen systematisch auszutauschen, auf eigene Herausforderungen anzuwenden und in einem intensiven Kommunikationsprozess laufend gemeinsam weiter zu entwickeln.

Kompetenzentwicklung setzt deshalb eine Soziale Lernplattform voraus, die sowohl Kommunikation als auch kollaboratives Arbeiten und Lernen ermöglicht. Gleichzeitig muss diese Lernplattform sicher stellen, dass das erforderliche Fachwissen und die notwendige Qualifikation selbstgesteuert aufgebaut werden kann. Dies kann beispielsweise durch E-Learning initiiert werden, sofern die Web Based Trainings folgenden Kriterien genügen:

  • Einbindung in ein Blended Learning Arrangement, das die Bearbeitung offener Fragen mit Lernpartnern und Experten und die Verknüpfung mit Herausforderungen in der Praxis ermöglicht.
  • Verbindung formellen Wissens mit dem Erfahrungswissen aller Lerner.
  • Über den Übungsbereich wird der formelle Lernprozess der Lerner anhand exemplarischer, problemorientierter Aufgaben gesteuert.
  • Komplexes Wissen wird über die Anwendung in Transferaufgaben mit realen Problemstellungen oder Projektaufträgen aufgebaut.
  • Erfahrungswissen aus den Transferaufgaben wird in einem kompetenzorientierten Wissensmanagement gemeinsam bewertet und weiter entwickelt.

Voraussetzung dafür sind selbst organisierte Lernprozesse, die durch die Einbindung in ein entsprechendes Lernsystem mit einem Netzwerk aus Lernpartnern, Trainern, Tutoren und Coaches geprägt ist. Methoden der Kompetenzentwicklung weisen damit gemeinsame Merkmale auf : [4]

  • Die Wirklichkeit, d.h. das Lernen am Arbeitsplatz und in Projekten, ist zwingend notwendiges Instrument der Kompetenzentwicklung,
  • die Verinnerlichung (Interiorisation) von Werten bildet den Kern der Lernprozesse,
  • Handlungs- und Kommunikationsprozesse in realen Entscheidungssituationen sichern den Kompetenzerwerb,
  • die Kommunikation über diese Entscheidungsprozesse mit Lernpartnern (Co-Coaches), Trainern, Coaches und Mentoren flankiert diese Lernprozesses. Hierbei fördert Social Software den Austausch des Erfahrungswissens und die gemeinsame Weiterverarbeitung des Wissens aktiv.

Effektive Kompetenzentwicklung der Führungskräfte, aber nicht nur dieser Zielgruppe, wird damit durch folgende Charakteristika geprägt:

  • Entwicklungsprozess: Individuell und selbstorganisiert
  • Mobil: Zeitlich und räumlich flexibel
  • Bei Bedarf: Es wird gelernt, wenn eine Herausforderung in der Praxis zu lösen ist. Wissensaufbau und die Qualifizierung erfolgen „on-demand“.
  • Lernen im Netz: Communities of Practice
  • Kompetenzorientiertes Wissensmanagement – „bottom-up“
  • Kollaboratives Arbeiten und Lernen: Co-Coaching, kollegiale Beratung, Projektarbeit
  • Prozessbegleitung: Coaching und Mentoring
  • Erfolgscontrolling: Kompetenzmessung und Learning Analytics

Kompetenzentwicklung nutzt dabei einen „Ermöglichungsrahmen“ mit einer breite Palette an Methoden und Instrumenten der Planung, der Kommunikation, des Wissensaufbaus und der Qualifizierung sowie der Rückmeldung auf, die jeweils bedarfsgerecht zu einem Lernarrangement zusammengefasst werden. Intendierte, d.h. beabsichtigte Kompetenzentwicklung findet dabei stets in einer kommunikativen Situation statt.

Soziale Lernplattformen machen es möglich, solche Kompetenzentwicklungsprozesse bereits heute zu gestalten. Beispielhaft kann dies an beigefügter  Struktur aufgezeigt werden.

Damit rückt das Lernen in der Führungspraxis – am Workplace – in den Mittelpunkt. Präsenzveranstaltungen ( 3 Tage) dienen der Planung und der Reflexion der individuellen Kompetenzentwicklungsprozesse im Prozess der Führung am Workplace und im Netz. Kompetenzentwicklung wird möglich.

Bildschirmfoto 2014-06-01 um 11.02.52

 

[1] McAfee 2010
[2] Wahlster 2014
[3] Fraunhofer IAO 2014
[4] vgl. Erpenbeck, J.; Sauter, W. 2007

Konnektivismus – Lernen im Netz

In unseren Projekten erlebe ich zunehmend, dass wir uns mit der Forderung auseinandersetzen, das Lernen in Netzen bzw. in Netzwerken zu fördern. George Siemens entwickelte vor wenigen Jahren eine pragmatische Lernkonzeption, die die veränderten Lernbedingungen aufgrund der technologischen Entwicklung, die wachsende Vernetzung sowie den „Informations-Overkill“ aufgrifft. Er misst dabei dem Lernen im und durch das Netz(-werk) eine zentrale Bedeutung bei: „learning as network creation“. Deshalb hat er für seine Lerntheorie den Begriff „Connectivism“ ( dt. „Konnektivismus“) geprägt (Siemens, G. 2006). Unser Lernen verändert sich jedoch nicht nur aufgrund moderner Lerntechnologie. Hinzu kommen insbesondere folgende Ursachen (vgl. Siemens, G. 2006): Lernen und arbeitsbezogene Aktivitäten sind immer öfters identisch, unser Denken und Handeln verändert sich, weil wir immer mehr technische Hilfsmittel nutzen, es wird immer wichtiger, zu wissen, wo ich Wissen finde und wie ich es für meine Problemlösungen nutzen kann.

Laut Siemens werden deshalb Behaviorismus, aber auch Kognitivismus und Konstruktivismus den Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft nicht mehr gerecht. Diese basieren auf der Annahme, dass Lernen entweder durch Begründung oder durch eigene Erfahrungen erfolgt. In der globalisierten Welt und der damit verbundenen, vernetzten Wissensgesellschaft ist es aber noch weniger als früher möglich, alle benötigten Erfahrungen selber zu machen. Hinzu kommt, dass unser Wissen exponentiell wächst. Mit der sinkenden Halbwertzeit des Wissens hat sich gleichzeitig auch die Art zu Lernen zu kommunizieren grundlegend verändert. Lernen erfolgt im Wechselspiel zwischen dem Individuum und seiner Umwelt und ist grundsätzlich an den Kontext gebunden. Den größten Teil unseres Wissens bekommen wir durch dritte Personen, durch Organisationen oder über Datenbanken. Lernen ist damit ein Prozess, der nicht nur von der eigenen Person, sondern auch stark von ihrem Umfeld abhängig ist. Nur wer bedarfsgerechte Netzwerke aufbaut, kann sein Wissen damit immer aktuell und problemgerecht sichern.

Netzwerke sind die Verbindung zwischen verschiedenen Elementen, wie z.B. Menschen, Gruppen oder Computer. Deshalb benötigen Lerner in einem konnektivistischen Lernsystem eine offene Lernumgebung, in der zusätzlich effiziente Interaktionsmöglichkeiten mit Netzwerkpartnern geboten werden. Die Lernen benötigen die Fähigkeit, relevantes Wissen für den Lernprozess zu identifizieren, zu bewerten, zu beschreiben und in einem gemeinsamen Prozess mit Lernpartnern weiter zu entwickeln. Die Lehrenden werden immer mehr die Rolle eines „Mentors“ übernehmen, der aktiv zuhört, beobachtet, Feedback gibt, berät und flankiert. Dabei reflektiert der Trainer nicht nur die Mittel und Methoden der Wissens- und Wertkommunikation, sondern schafft aktiv Entwicklungssituationen, in denen eine optimale Wissensaneignung und Wertinteriorisation möglich werden.

Aufbauend auf dem Ansatz des Konnektivismus sind folgende Grundsätze für diese Lernkonzeption von Bedeutung:

  • Die Entscheidung über die Ziele der Lernprozesse liegt primär bei den Lernern und bildet einen eigenständigen Lernprozess;
  • Im Kreislauf der Kompetenzentwicklung wird das persönliche Wissen des Einzelnen in ein Netzwerk integriert und in einem gemeinsamen Lernprozess unter Nutzung innovativer Technologien weiter entwickelt;
  • Lernen kann damit auch außerhalb einzelner Personen angesiedelt sein (Organisationales Lernen),
  • Das gemeinsame Wissen wird im Netzwerk verteilt und dient allen Mitarbeitern als Lernquelle („cycle of knowledge development“);
  • Lernen ist ein Prozess, bei dem verschiedene Wissensquellen und -knoten miteinander verbunden werden;
  • Lernen umfasst nicht nur Wissensvermittlung oder Qualifikation, sondern auch Werte, Denkhaltungen und Normen sowie ihre Aneignung in Form von Emotionen und Motivation;
  • Die Fähigkeit, immer aktuelles Wissen zu erlangen, ist für die Lerner wichtiger als ihr persönliches Wissen;
  • Es ist wichtiger zu wissen, wo man Wissen finden kann, als die Informationen auswendig zu kennen;

Lernen erfolgt damit in differenzierten Lernarrangements aus formellem und informellen Lernen in Verbindung mit verschiedenen Lernformen, Sozialformen, Medien und vielfältigen Kommunikations- und Dokumentationsmöglichkeiten (Blended Learning).

Konnektivismus ist nach meiner Ansicht keine eigenständige Lerntheorie, sondern eine pragmatische Lernkonzeption, welche die gesellschaftlichen Veränderungen im Lernen von Menschen aktiv aufgreift und konsequent in die geplanten Lernprozesse integriert. Wir nutzen dafür die Möglichkeiten des Austauschs von Erfahrungswissen, z.B. über Blogs, Wikis oder Foren. Instrumente des Web 2.0 („Social Software“) gewinnen immer mehr an Bedeutung, weil sie den Wissensaustausch und die Kompetenzentwicklung in Netzwerken und über das Netz optimal fördern. Konnektivismus ist damit eine Erweiterung der vorherrschenden Lerntheorien, die auf die besonderen Anforderungen der globalisierten Wirtschaft und des digitalen Zeitalters eingeht.

Ihr Werner Sauter